Meine Frau (38) und ich (42) sind seit 14 Jahren ein Paar. Wir haben 2 Kinder. In letzter Zeit ist sie abends kaum mehr zu Hause. Sie geht ins Yoga, Töpfern, singt in einem Chor. Mindestens zwei Abende pro Woche trifft sie eine ihrer Freundinnen. Kürzlich hat sie eine Wochenendausbildung begonnen. Was läuft hier falsch?
Eigentlich müsste man Freude haben an den kreativen Initiativen und Tätigkeiten Ihrer Frau. Doch angesichts Ihrer Beziehung und der ganzen Familie verstehe ich Ihre Sorge. Die Frage, ob nun punkto Menge der Aktivitäten eine Grenze überschritten ist, steht nicht im Zentrum. Wichtiger ist, warum sich Ihre Frau all diesen Tätigkeiten und Kontakten widmet.
Ist die Partnerin fast jeden Abend weg, kann dies ein Zeichen dafür sein, dass ihr etwas fehlt. Fühlt sie sich zu wenig wahrgenommen und verstanden? Was sucht sie so intensiv auswärts?
Ich empfehle Ihnen deshalb, Ihre Frau zu fragen, wie sie sich in der Beziehung zu Ihnen fühlt, was sie allenfalls stört, einengt oder unerfüllt lässt. Doch machen Sie sich auch selber bewusst: Wie fühlen Sie sich in Bezug auf die Partnerin? Was freut und fasziniert Sie nach wie vor an ihr? Vielleicht realisieren Sie dann, ob Sie sich im Laufe der Zeit von ihr zurückgezogen haben. Könnte darin der Grund liegen, warum Ihre Frau auf Distanz geht und ihr Leben zunehmend ohne Sie gestaltet?
Wenn Sie das für sich geklärt haben, bitten Sie Ihre Frau um ein Gespräch. Teilen Sie ihr Ihre Beobachtungen mit. Tun Sie das mit Wertschätzung und Verständnis für ihre Aktivitäten. Fragen Sie sie dann, warum sie in diesem Masse nach draussen geht. Und was ihr zu Hause und bei Ihnen fehlt. Bitten Sie sie, nichts zu beschönigen.
Wenn Sie Antworten bekommen, verzichten Sie zunächst auf Gegenargumente oder Erklärungen. Sagen Sie der Partnerin, Sie würden sich gerne Gedanken über ihre Aussagen machen und das Gespräch ein anderes Mal weiterführen. In der Zwischenzeit können Sie überlegen, in welchen Punkten Sie ihr recht geben und was Sie anders sehen.
Bei einem zweiten Gespräch, das idealerweise zeitnah erfolgt, können Sie ihr beispielsweise sagen, dass Sie ihren Wunsch verstehen, sich nach der intensiven Kinderphase nach aussen zu orientieren. Zugleich können Sie ihr aber auch Ihre Bedenken bezüglich häufiger Abwesenheit mitteilen und Sie fragen, ob und unter welchen Umständen sie bereit ist, einige Dinge zu reduzieren.
Ich könnte mir vorstellen, dass in Ihrer Beziehung der seelische Austausch fehlt, vielleicht auch die gemeinsame Sexualität eingeschlafen ist, Ihre Frau sich bei der Kindererziehung im Stich gelassen fühlt. Reden Sie in aller Offenheit. Vielleicht ergeben sich neue Möglichkeiten für Sie beide.
Vielleicht aber wird Ihnen klar, wie sehr Sie im Laufe der Zeit andere Schwerpunkte gesetzt haben und nun andere Wege gehen wollen. Sollten Sie für weitere Schritte nicht klar sehen, könnte externe Hilfe eine Option sein. Behalten Sie die Interessen Ihrer Kinder im Auge. Ob sich Sie als Paar wieder finden oder weiter auseinanderdriften: Bleiben Sie achtsam im Umgang miteinander. Das ist das Beste, was Sie für sich selber und für Ihre Kinder tun können.
* Eugen Bütler ist psychologischer Berater, dipl. Ergotherapeut, Theologe, Einzel- und Paarberatung: www.buetlercoaching.ch