Ich habe mit meinem Ex-Freund (unverheiratet) eine 3-jährige Tochter. Wir haben uns vor kurzem getrennt. Ich betreue die Tochter unter der Woche allein in meiner Wohnung. Da ich wegen der Betreuung nicht arbeiten kann, musste ich zum Sozialamt. Habe ich für die Betreuung nicht auch eine Unterstützung vom Kindsvater zugut?
Beim Kindesunterhalt wird seit dem 1. 1. 2017 zwischen Bar- und Betreuungsunterhalt unterschieden. Mit dem Barunterhalt wird der konkrete Bedarf Ihrer Tochter abgedeckt (Grundbetrag, Mietanteil, Krankenkasse, Fremdbetreuungskosten etc.). Der Betreuungsunterhalt bezweckt einen Ausgleich dafür, dass Sie an einer eigenen Erwerbstätigkeit gehindert sind und daher für Ihren Lebensunterhalt nicht selber aufkommen können.
Eines der Ziele der Revision Kinderunterhaltsrecht war es, das Unterhaltsrecht unabhängig vom Zivilstand der Eltern zu gestalten. Neu soll zudem nicht mehr nur der Barunterhalt des Kindes gedeckt werden, auch die Betreuung des Kindes soll gewährleistet sein. Das Bundesgericht hat diesbezüglich vor Kurzem ein erstes Urteil gesprochen. (heb)
Die Bemessung der Höhe und die Dauer des Betreuungsunterhalts wurden im Gesetz nicht explizit geregelt. Vor kurzem hat das Bundesgericht diese Fragen nun endlich geklärt und sich für die «Lebenshaltungskostenmethode» und das «Schulstufenmodell» ausgesprochen. Der Entscheid des Bundesgerichts betreffend «Lebenshaltungskostenmethode» wird heftig kritisiert. Ob diesbezüglich das letzte Wort bereits gesprochen ist, ist fraglich.
Das «Schulstufenmodell» klärt die Frage, ab welchem Alter des Kindes dem betreuenden Elternteil ein Erwerbspensum zumutbar ist. Sobald das jüngste Kind obligatorisch eingeschult wird, erachtet das Bundesgericht eine Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils von 50% als angemessen. Beim Übertritt in die Sekundarstufe erhöht sich das zumutbare Pensum auf 80% und bei Vollendung des 16. Lebensjahres auf 100%.
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In Ihrem Fall muss die Tochter noch zu 100 % betreut werden. Es wird von Ihnen demnach keine Erwerbstätigkeit zur Deckung Ihres Existenzminimums verlangt. Nach der vom Bundesgericht gewählten Berechnungsmethode bemisst sich der Betreuungsunterhalt an der Differenz zwischen den Lebenshaltungskosten des kinderbetreuenden Elternteils und dessen eigenem Einkommen. Die Lebenshaltungskosten umfassen das familienrechtliche Existenzminimum, das je nach Kanton und Region zwischen 2600 und 3500 Franken liegt.
Zu beachten ist, dass auch nach neuem Recht bei der Festsetzung des Unterhalts nicht in das Existenzminimum des Unterhaltsverpflichteten eingegriffen werden darf.
Sobald Ihre Tochter eingeschult wird, gilt eine 50% Erwerbstätigkeit als grundsätzlich zumutbar. Der Betreuungsunterhalt wird sich entsprechend reduzieren. Nach der «Lebenshaltungskostenmethode» des Bundesgerichts ist ein Betreuungsunterhalt nur insoweit geschuldet, als Sie Ihre Lebenshaltungskosten nicht selber mit Ihrem Einkommen decken können. Verdienen Sie gut und sind in der Lage, Ihr Existenzminimum mit einem 50%-Pensum zu decken, ist kein Betreuungsunterhalt mehr geschuldet. Ist Ihr Einkommen dagegen tief und können Sie deshalb Ihre Lebenshaltungskosten nicht allein finanzieren, entspricht der Betreuungsunterhalt dem Manko.
* Lic. iur. Michael Häfliger ist Fachanwalt SAV für Familienrecht. Er arbeitet in der Anwaltskanzlei Häfliger Haag Häfliger AG in Luzern.