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Leben
Kinder und gesunde Erwachsene müssen sich vor Corona nicht fürchten. So einfach ist das aus Sicht meiner Söhne.
«Papa, bist du ein gesunder Erwachsener?» Eines Abends überfiel mich mein Sohn mit dieser Frage. Er hatte in der Schule vom Corona-Virus erfahren, und aus seiner Sicht war die Lage klar: Kinder müssen vor dem Virus keine Angst haben, gesunde Erwachsene auch nicht. Nur «alte Menschen, die eh bald sterben», die sollten vorsichtig sein.
Ich hatte Corona bis dahin gegenüber den Kindern nicht erwähnt. Ich wollte sie nicht unnötig verängstigen, zumal das Virus für Kinder ja tatsächlich harmlos ist. Aber Corona zu ignorieren wurde immer fragwürdiger, und irgendwann brachten die Kinder das Virus aus der Schule nach Hause – in ihren Köpfen.
Mein jüngerer Sohn demonstrierte im Badezimmer mustergültig, wie man sich gründlich die Hände wäscht. Mein älterer zeigte vor, wie man sich mit den Ellbogen begrüsst. Und er stellte mir eben die Frage, ob ich ein gesunder Erwachsener sei.
Er tat dies just an jenem Tag, als der Bundesrat wegen Corona erste einschneidende Massnahmen bekannt gegeben hatte. Auf der Redaktion herrschten Hektik und Nervosität. Pikettdienste wurden hochgefahren und Fragen aufgeworfen. Wie schlimm ist denn nun dieses Virus? Muss man sich fürchten? Soll man darüber hinweglächeln? Schüren wir mit unserer Berichterstattung die Panik? Informieren wir sachlich genug?
Ich musste an den Seuchenthriller «Outbreak» denken. An die Szene, in der ein kranker Mann im Kino hustet und Tröpfchen durch Luft schweben lässt, die dann in den offenen, lachenden Mündern der anderen Kinobesucher landen. Zack, infiziert!
«Ja», sagte ich. «Ich bin ein gesunder Erwachsener.» Mein Sohn antwortete: «Dann ist alles gut, dann ist das Corona-Virus für dich nicht schlimm. Und für mich ja sowieso nicht.» Er sagte das mit einem strahlenden Lächeln, ohne jeden Zweifel, völlig überzeugend – und meine Nervosität war auf einen Schlag weg. Zack, beruhigt!
Doch schon am nächsten Morgen prasselten wieder Corona-Neuigkeiten auf mich ein. Ein Ende ist nicht in Sicht, die Seuche rückt näher, die Lage scheint ernst, es ist kompliziert. Wie gerne würde ich mich manchmal in die einfache Welt meiner Söhne verkriechen! Dann würde ich vielleicht sogar glauben, dass wir unbesiegbar und gegen das Virus immun sind.
Roger Berhalter lebt mit seiner Frau und den zwei Söhnen (5 und 7 Jahre) in der Stadt St.Gallen. Er teilt sich mit seiner Partnerin die Erwerbs- und Hausarbeit. Am Backofen aber ist er der Chef.