Kolumne
Papa-Blog: Mein Sohn weiss nicht, was Radio ist

Katermusik am Samstagmorgen hören? Als Vater fühlt man sich für manche Radiosendungen zu alt. Bei den Kindern ist es umgekehrt: Für manche Medien sind sie zu jung.

Roger Berhalter
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Das Rauschen und Knistern, wenn man am Radioknopf dreht, auf der Suche nach dem passenden Sender.

Das Rauschen und Knistern, wenn man am Radioknopf dreht, auf der Suche nach dem passenden Sender.

Bild: Vladimir Godnik, beyond fotomedia RF

Neulich habe ich wieder einmal Radio gehört. Und gemerkt, dass ich nicht (mehr) zum Zielpublikum von SRF Virus gehöre. Es war Samstagmorgen, die Sendung hiess «Snooze», und zwischen den Songs raunte eine Männerstimme: «Dini Insle am Wuchenänd». Oder: «Eifach liggebliibe.»

Ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon: Zwei Kinder angezogen, einen Brotteig angesetzt, das Auto geputzt und mit meinem Sohn den Bauplan des Millennium Falken studiert. «Eifach liggebliibe»? Schön wär's! Und «mini Insle am Wuchenänd» ist manchmal einfach Netflix am Abend. Wobei ich längere Filme wie «The Irishman» inzwischen in Etappen als Miniserie anschauen muss. Für Martin Scorseses ausufernde Gangster-Epen ist meine Insel zu klein.

«Samschtig. Din Alltag am Wuchenänd.»

Andere Radio-Jingles würden mittlerweile besser in mein Vaterleben passen: «Eifach früeh ufstoh.» Oder: «Samschtig. Din Alltag am Wuchanänd.» Gibt's eine Radiosendung für Eltern, die ihre Ruhe haben wollen? Ich bin ihr bis jetzt noch nicht begegnet. Und die «Snooze»-Funktion meines Weckers habe ich schon ewig nicht mehr genutzt. Keine Zeit für ein bisschen mehr Schlaf, die Kinder müssen in die Schule.

«Papa, was ist Radio?», fragte mich Sohn neulich. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass er das nie erlebt hat: Das Rauschen und Knistern der Frequenzen, wenn man am Radioknopf dreht, auf der Suche nach dem passenden Sender. Zu einer bestimmten Zeit den Radio einschalten, um eine bestimmte Sendung zu hören, dieses lineare Konzept ist meinem Sohn unbekannt. CDs kennt er zwar noch, Kassetten auch, Podcasts ebenso. Aber Radio? Für den 2012 Geborenen ein fremdes Wort aus einer fernen Zeit.

Vielleicht sollten wir am Samstagmorgen einmal gemeinsam SRF Virus hören. Die Musikauswahl von «Snooze» war nämlich gar nicht so schlecht.

Roger Berhalter lebt mit seiner Frau und den zwei Söhnen (5 und 7 Jahre) in der Stadt St.Gallen. Er teilt sich mit seiner Partnerin die Erwerbs- und Hausarbeit. Am Backofen aber ist er der Chef.

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