Gute Eltern sind faule Eltern. Faul im Sinne des englischen Autors Tom Hodgkinson. Der Meister des Müssiggangs hat den einzigen Erziehungsratgeber geschrieben, den man kennen muss.
Nichts gegen Remo Largo. Schliesslich stehen die Bücher des Schweizer Entwicklungsforschers heute in jedem zweiten Kinderzimmer. Auch wir haben uns Largos «Babyjahre» gekauft und gehofft, darin alle Antworten zu finden. Largos Kernthese hat mir zwar gefallen: Jedes Kind ist anders, jedes entwickelt sich in seinem eigenen Tempo. Nur leider ist das Buch derart trocken geschrieben, dass es eher als Einschlaf- denn als Erziehungshilfe taugt.
Wie anders ist da der «Leitfaden für faule Eltern» von Tom Hodgkinson! Der englische Autor sprüht vor Lebenslust und hat den einzigen Ratgeber geschrieben, den Eltern gelesen haben müssen. Hodgkinson plädiert für einen gelassenen Umgang mit Kindern. Seine Kernthese: Lasst die Kinder in Ruhe! In seinem «Manifest der faulen Elternschaft» heisst es unter anderem:
«Wir wehren uns gegen die Vorstellung, dass Elternschaft harte Arbeit bedeutet.»
Die Kinder in Ruhe lassen? Dieser Aufruf klingt absurd, wenn man gerade Vater geworden ist, dreimal pro Nacht erwacht und am nächsten Morgen trotzdem ins Büro muss. Liest man dann in Hodgkinsons Manifest: «Wir bleiben so lange wie möglich im Bett liegen», klingt das wie ein Erziehungstipp von einem anderen Stern.
Und doch haben mir Hodgkinsons Worte gerade in jener intensiven Kleinkind-Zeit gut getan. Seine Lockerheit und sein englischer Witz sind ansteckend, und seine Erziehungsmethoden scheinen alle das sympathische Ziel zu haben, dass die Eltern in Ruhe Bier trinken können. «Wir trinken Alkohol ohne Schuldgefühle», lautet ein weiterer Satz seines Manifests.
Der Londoner weiss, wovon er spricht, er ist ein Meister des Müssiggangs. In seiner Zeitschrift «The Idler» («Der Müssiggänger») beschäftigt sich Hodgkinson professionell mit dem Thema, und in diesem Sinn ist auch der Begriff «faule Eltern» zu verstehen: Eltern sollen nicht nur leiden und schuften und sich für den Nachwuchs aufopfern, sondern das Leben geniessen und sich zwischendurch zurücklehnen:
«Es ist eine weitgehend unbekannte Tatsache, dass sich durch blosses Liegenbleiben vieles bewirken lässt.»
Aus Hodgkinsons Sätzen spricht dabei ein tiefer Respekt für die Kinder. Man soll sie vor allem deshalb in Ruhe lassen, damit sie sich zu selbständigen und selbstbewussten Wesen entwickeln können. Das geht nun einmal schlecht, wenn man wie Helikopter über ihnen kreist, bei jedem Streit sofort eingreift, sie mit Unterhaltung überhäuft und jedes Problemchen gleich therapieren lässt. Gelassen zu bleiben, selbst wenn um einen das Chaos tobt, das ist am Elternsein wohl das Schwierigste. Der «Leitfaden für faule Eltern» hat mir sehr dabei geholfen.
Roger Berhalter lebt mit seiner Frau und den zwei Söhnen (5 und 7 Jahre) in der Stadt St.Gallen. Er teilt sich mit seiner Partnerin die Erwerbs- und Hausarbeit. Am Backofen aber ist er der Chef.
Nächste Woche schreibt Martin Oswald darüber, wie Prinzessin Elsa Teil der Familie wurde.