Kolumne
Papa-Blog: Das Chicken-Nuggets-Dilemma

Kaum ein Restaurant, welches für die Kinder nicht Chicken-Nuggets mit Pommes-Frites anbietet. Ein sicherer Wert, aber ein kulinarisches Desaster.

Martin Oswald
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(Bild: Getty Images)

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Mama nimmt den Fisch mit Reis und Ofengemüse, Papa die Pasta mit Rindsfiletspitzen. Die sollen besonders gut sein in diesem Restaurant. Und was nehmen wir für die Kinder? Die gut assortierte Speisekarte hat auch zwei Menus für die Kleinen vorgesehen. Spaghetti Bolognese und Chicken-Nuggets mit Pommes. Die Auswahl ist schnell getroffen - und bitte mit Ketchup und Mayo. Jetzt freuen sich alle am Tisch auf ihr Essen. Und Mama und Papa können sich der beruhigenden Gewissheit hingeben, dass aufgegessen wird und niemand mit Hunger ins Bett muss.

Doch genauso wie sich im Jahr 2019 bei der Buchung eines Flugs das Öko-Gewissen meldet, so meldet sich längst auch bei der Essenswahl das Hirnzentrum für erhöhtes Bewusstsein. Etwas Pasta mit Tomatensauce oder Reis mit Gemüse wären definitiv sinnvoller für die Jungmannschaft, doch davon sind sie verständlicherweise nur schwer zu überzeugen. Erschwerend kommt hinzu, dass solches von den Restaurants kaum je als Kindermenu angeboten wird. Und in diesen ist nebst dem günstigen Preis meist auch noch ein Glacé zum Dessert inbegriffen.

Liegt das Problem nun also an unserer mangelnden Fähigkeit, Kinder im Restaurant von gesundem Essen zu überzeugen oder an der Omnipräsenz von «Chicken-Nuggets mit Pommes-Frites» auf jeder erdenklichen Speisekarten zwischen San Francisco und Istanbul? Haben wir es hier mit verantwortungs- oder fantasielosen Köchen zu tun oder mit auf einfache Lösungen bedachten Eltern? Zumindest könnten die Restaurants uns Eltern helfen: Kreativere und mit frischen Zutaten zubereitete Kindermenus anbieten. Mit Bedauern würden wir dann verkünden: «Entschuldigt Kinder, aber hier gibt es leider keine Chicken-Nuggets.»

Fragwürdige Zutaten, zu viel Salz

Das deutsche Magazin Stern schrieb in einem Artikel 2017: «Hühner in eingepferchten Ställen, Turbomast, Antibiotikasresistenzen, Billigfleisch: Chicken Nuggets sind eine globale Schweinerei.» Das Fleisch bei in Deutschland verkauften Nuggets stamme aus Thailand, Brasilien und der Ukraine. Die Panade macht die Nuggets zudem zur Kalorienbombe. Sie enthält Fette, Mineralöle, Salz, Phosphate, Geschmacksverstärker wie Glutamat.

Die vergleichbaren Schweizer Produkte schneiden da besser ab. Bei einem Test der SRF-Sendung «Kassensturz» 2014 wurde beim Vergleich von zehn Produkten ein durchschnittlicher Fleisch-Anteil von 58 Prozent festgestellt. Der Rest ist Panade. Kurzum; nichts für mein Kind. Doch beisse ich selber auch ab und zu gern in ein Stück Fast-Food. Und ich will nicht dogmatisch Esswaren verteufeln. Das Dilemma bleibt.

Der ewige Konflikt

Als Eltern müssen wir uns mehrmals täglich entscheiden zwischen «Was halte ich für erzieherisch richtig?» und «Was ist jetzt gerade am Einfachsten?» Kaum jemand findet es sinnvoll, wenn die Kleinen zu Besuch bei Freunden einen Film schauen, statt zusammen Lego zu spielen. Aber wenn dadurch eine entspannte Konversation mit einem anderen Paar möglich ist, dann muss dieses Mittel schon mal gut genug sein.

Und so werden wir auch bei den zukünftigen Restaurant-Besuchen abwägen müssen, ob wir gleich zu Tisch zum Kurzvortrag über artgerechte Tierhaltung und die Gefahren von Glutamat ausholen, oder dem Frieden zuliebe zweimal das Kindermenu nehmen und zufriedene Gesichter neben uns haben.

Bei unserer Elfjährigen trägt der kulinarische Aufklärungsunterricht schon erste Früchte. Sie bestellt die Chicken-Nuggets. Aber nur, weil ja jetzt Ferien sind. «Papa, es ist eine Ausnahme.»

Umfrage: Wie entscheiden Sie sich?

Martin Oswald (39) lebt mit drei Frauen am Stadtrand von St.Gallen. Die eine (35) hatte er um ihre Hand angehalten, die andere (11) bekam er als Patchwork-Geschenk und die dritte (4) ist 100% Self-Made.