Mal wieder planlos und selbstzufrieden sein

In ihrer Kolumne «Liebes Leben, wir müssen reden» schreibt Social-Media-Redaktorin Maria Brehmer über alles, was das Leben schöner macht – und manchmal auch schwieriger. Heute: Warum Nichtstun wichtig für Ihre Beziehung ist.

Maria Brehmer
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«Es ging uns lange darum, etwas Spezifisches zu wollen. Wir vergassen, völlig absichtslos einfach nur zusammen zu sein.» (Bild: Sandra Ardizzone)

«Es ging uns lange darum, etwas Spezifisches zu wollen. Wir vergassen, völlig absichtslos einfach nur zusammen zu sein.» (Bild: Sandra Ardizzone)

Erst schluckte ich leer, dann gestand ich es ein: Er hatte Recht. Ja, ich verplane unsere gemeinsame Zeit zu sehr. Es war vor einigen Tagen, als mich mein Freund über unsere halb leeren Weingläser hinweg auf meine zuweilen vorkommende Hyperaktivität hinwies, und es dämpfte mich. Gerade hatte ich ihm ein potenzielles Wochenendprogramm vorgetragen, das ich mir in Vorfreude auf unsere gemeinsame Freizeit schon seit Tagen zurechtgelegt hatte. So, wie ich es seit Monaten tue.

Ein typisches «Generation Y»-Phänomen

Dass ich immer öfter an meinem Anspruch scheiterte, möglichst viele schöne und nützliche Dinge in meinen Alltag zu packen, merkte ich schon länger. Freunde treffen, Sport machen, Kochen, eine nette Wohnung haben, jeden Tag etwas Neues lernen: Plane ich allein, hilft mir ein gewisses Mass an selbst gemachtem Druck, etwas auf die Reihe zu bekommen und Ziele zu erreichen. Wenn der Druck wächst und es sich nicht mehr nach Freiheit anfühlt, alles Mögliche tun zu dürfen, wird Freizeitstress zum (Luxus-)Problem, das sich auf die Lebensqualität auswirkt. Ein typisches «Generation Y»-Phänomen, dem ich da verfallen bin.

Meine Beziehung sah ich lange als Ausgleich. Einfach zusammen sein, planlos und selbstzufrieden, machte mich glücklich. Dann, als man sich besser kannte, wollte man raus aus den vier Wänden. Die Freunde des anderen kennen lernen, am Wochenende wegfahren. Die Planerei begann, und wir bekamen nicht genug von der Vorstellung, was gemeinsam alles möglich ist. Wir genossen die Aussicht auf künftige Erinnerungen, die wir hoffentlich den Rest unseres Lebens werden teilen können. So schön!

Wir sind im Nichtstun nicht geübt

Bis mein Freund letzte Woche «Ich vermisse das» sagte – und damit das Stopp-Schild hochhielt. «Was genau?», fragte ich. «Ja, nichts eben, nichts Besonderes», antwortete er. Und brachte es mit seiner Antwort auf den Punkt: Es ging uns lange darum, etwas Spezifisches zu wollen. Wir vergassen, völlig absichtslos einfach nur zusammen zu sein.

Wir sind im Nichtstun nicht geübt. Und das liegt nicht etwa in unserer Natur, sondern in unserer Sozialisierung: Während Wissenschafter in den 70er-Jahren noch davon ausgingen, Maschinen würden künftig all unsere Arbeit übernehmen und uns wäre immer langweilig vor lauter freier Zeit, haben sich unsere Aktivitäten heute den Möglichkeiten angepasst – und die sind nahezu grenzenlos.

Wirkungsvoll und rebellisch

Wir wollen die Erlebnisdichte pro Zeiteinheit erhöhen, denn das Leben scheint reicher und freier, je mehr Optionen und Abenteuer es uns bietet. Wir sind immer getriebener und verlieren zuweilen aus den Augen, wonach wir eigentlich bedürfen.

Gemeinsames Nichtstun schafft Nähe und Zweisamkeit – weil da keine Beschäftigung ist, die einem die Aufmerksamkeit abzieht. Gemeinsames Nichtstun ist ein wirkungsvoller, ja rebellischer Akt, der uns zumindest für einen Moment dem schnellen Leben entreisst. Es kostet nichts und ist einfach umzusetzen. Man muss es nur planen.