Sprachliche Moden und Marotten
Satzanfänge in Sportinterviews

Unser Kolumnist Pedro Lenz denkt diese Woche über unnötige Floskeln nach, die man besonders oft von Fussballern nach dem Spiel hört.

Pedro Lenz
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Auch der Nati-Trainer leitet seine Antworten manchmal mit Floskeln ein.

Auch der Nati-Trainer leitet seine Antworten manchmal mit Floskeln ein.

Freshfocus

Wer aufmerksam Sportsendungen verfolgt, hat es vielleicht auch bemerkt. In den letzten Monaten und Jahren hat sich in Sportinterviews im deutschen Sprachraum eine neue Art des Redens etabliert. Es ist zur Selbstverständlichkeit geworden, Sätze mit Floskeln zu beginnen, die schlecht an den Anfang eines Gesprächs passen. Zum beliebtesten dieser Gemeinplätze hat sich sowohl in hochdeutscher wie in mundartlicher Redeweise das Wortpaar «wie gesagt» gemausert. Da fragt der Reporter einen Fussballer nach seinem Eindruck vom Spiel und dieser beginnt seine Antwort mit «Wie gesagt ...», wenig später wird der Trainer der gleichen Mannschaft etwas gefragt. Auch er beginnt mit einem überzeugten «wie gesagt ...»

Zwar weiss ich nicht, wie es anderen Leuten geht, aber wenn ich in einem Gespräch das Wortpaar «wie gesagt» höre, dann mache ich mich auf eine Wiederholung gefasst, dann gehe ich also davon aus, jemand wolle gleich etwas sagen, dass eben erst gesagt wurde. Steht jedoch «wie gesagt» am Anfang eines Gesprächs, dann kann ich nicht wissen, was früher schon gesagt worden ist, wer es allenfalls gesagt hat oder wann und in welchem Zusammenhang es gesagt wurde. Kurz gesagt, es fehlt ein Kontext. Da drängt sich einem fast von selbst die Frage auf, wie eine Person, die noch gar nichts gesagt hat, überhaupt dazu kommt, ein Gespräch mit «wie gesagt» zu beginnen?

Ein Freund und Berufskollege, mit dem ich das Thema neulich erörtert habe, behauptet nun allerdings, nicht das Wortpaar «Wie gesagt ...» sei der häufigste Interview-Start von Sportlerinnen und Sportlern, sondern das Adverb «nichtsdestotrotz». Das klinge dann im konkreten Fall etwa so: «Wie haben Sie das Spiel erlebt?» – «Nichtsdestotrotz bin ich mit dem Spiel zufrieden. Nichtsdestotrotz haben wir verdient gewonnen. Nichtsdestotrotz können wir die drei Punkte gut gebrauchen.» Und so weiter.

In der ernsten und oft etwas hölzernen Sprache der Schulgrammatik heisst es zu «nichtsdestotrotz», es handle sich um ein «Konditionaladverb, welches, auf eine Aussage folgend, eine gegensätzliche oder einschränkende Aussage einleitet.» Doch wo ist die Aussage, auf die der Sportler Bezug nehmen möchte, wenn er noch gar nichts gesagt hat? Was würden die gedankenlosen Nichtsdestotrotz-Gebraucher denken, wenn man ihnen aus dem Stand heraus sagen würde, sie plapperten nichtsdestotrotz ein bisschen unüberlegt daher?

Niemand will behaupten, es sei leicht, unmittelbar nach einer sportlichen Anstrengung ein gescheites Interview zu geben. Aber gescheite Interviews verlangen wir Sportfans ja auch gar nicht. Es würde uns vollkommen genügen, einfache Antworten auf einfache Fragen zu erhalten. Es braucht von interviewten Sportlern keine Floskeln oder vorangestellten Phrasen. Man darf gleich auf den Punkt kommen.

Nichtsdestotrotz schadet es natürlich auch Sportlerinnen und Sportlern nicht, sich vor dem Reden ein paar Gedanken zu machen. Denn wie gesagt: «Wie gesagt» ist alles andere, als ein plausi­bler Gesprächsanfang.

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