Die Lage ist bald nicht mehr «aussergewöhnlich», aber doch noch «besonders». Wir verneigen uns vor der Güte der Regierung und machen uns untertänigst locker. Oder auch nicht.
Die wahre Machtfülle im absolutistischen Staat, man weiss es, zeigt sich nicht in der Verurteilung und Hinrichtung, sondern in der Begnadigung. Ein lässiger Wink, ein gelangweiltes Lächeln: «Ich begnadige Ihn!» - das ist wahre Grösse.
Zwar trug Alain Berset keinen Hermelinmantel und keine Krone auf dem erlauchten Haupt, doch der Akt, mit dem er am Mittwoch seinem Volk einen Teil seiner Freiheiten wieder schenkte, gemahnte an alte Zeiten. Die Lage, so schärfte der Seuchenminister seinen Untertanen ein, sei zwar immer noch besonders, und weiterhin gelte es, den obrigkeitlichen Anweisungen Folge zu leisten.
Und doch: In seiner unermesslichen Weisheit und Güte hat der Bundesrat entschieden, das strenge Regime weiter zu lockern. Wenn wir Vasallen tief in uns hineinhorchen, so ist uns die kollektive Begnadigung allerdings irgendwie suspekt. Der Republikaner in uns hätte gar grosse Lust, aus Protest im Lockdown zu bleiben: «Sollen die hohen Herren zu Bern sich doch alleine lockern - uns zwingt ihr nicht!»