Von wem würde man am liebsten einen Roman über die Irrungen und Wirrungen von «MeToo» lesen? Von Elfriede Jelinek? Schwer verdaulich und trotzdem allzu vorhersehbar. Von Roger Köppel? Leichter verdaulich, aber ebenso vorhersehbaren Inhalts. Nein, über dieses Phänomen, in dem sexuelle Übergriffe, Machtspiele, öffentliche Opferdarbietungen und Hinrichtungen zu einem deftigen Panorama der Sitten zusammenfliessen, hätte Philip Roth einen Roman schreiben müssen. Der Autor von «Der menschliche Makel» hätte uns allen einen schonungslosen Spiegel vorgehalten. Allen.
Vielleicht war ja dieser völlig moralinfreie Blick auf das Allzumenschliche daran schuld, dass Philip Roth den Nobelpreis nicht erhielt. Jetzt, wo die noblen Herrschaften – die amerikanische Literatur generell verabscheuen – selber vom hohen moralischen Ross gestürzt sind, wissen wir erst recht: Für diesen Stoff wäre Philip Roth der einzig Richtige gewesen. G. F. H.