Kolumne
Papa-Blog: Jungs interessieren sich für Bagger und Fussball, Mädchen für Pferde und Puppen – ist das schlimm?

Die Unterschiede zwischen Buben und Mädchen sind von der Gesellschaft konstruiert und nicht von Natur aus gegeben, sagen radikale Feministinnen. Wer selber Kinder hat, zweifelt an solchen Theorien.

Jürg Ackermann
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Andre Kudyusov / Getty

Gerade letzte Woche ist es wieder passiert. Der Ältere sagt zum Jüngeren: «Wow, heute habe ich schon drei Porsches gesehen!» Ich wende mich nach solchen Sätzen jeweils leicht betreten ab und sehe dunkle Wolken am Horizont aufziehen: Wir haben doch den Klimawandel! Wir müssen raus aus dem fossilen Zeitalter! Meine Kinder sollen sich um Himmels Willen nicht für Autos interessieren!

Woher sie das haben, weiss ich nicht. Vielleicht von Kollegen in der Schule, Vielleicht aus der Werbung im Fernsehen. Mir ist es auf jeden Fall ziemlich egal, ob ein Mazda, Mercedes oder Maserati vorbeifährt. Zu Autos habe ich ein emotionsloses Verhältnis. Aber irgendwie scheinen sie auf die Ästhetik, die Grösse oder den gesellschaftlichen Status, die gewisse Marken verkörpern, anzuspringen. Passiert das bei Mädchen auch? Ich kenne keine Eltern, die mir je davon erzählt hätten.

Die Faszination für schwere Geräte wie Traktoren und Bagger beginnt bei vielen Jungs ja schon ganz früh. Als Zwei- oder Dreijährige war es der Höhepunkt jedes Spaziergangs, wenn wir eine Baustelle in der Stadt passierten und dort möglichst laut gehämmert, gebohrt oder gebaggert wurde.

Es braucht die Unterschiede zwischen den Geschlechtern

Diese Beobachtungen mögen zufällig sein. Doch sie führen zu grundsätzlichen Überlegungen. Ist das Geschlecht nur soziologisch konstruiert? Spielen meine Jungs also nur darum Fussball oder interessieren sich für ein vorbeifahrendes Auto, weil mich als Vater der Fussball selber begeistert oder weil die Gesellschaft das erwartet? Ist man nur darum ein Mann, weil man glaubt, einer zu sein, wie das radikale Feministinnen behaupten?

Die Gesellschaft gibt natürlich einiges vor. Und dass festgefahren geglaubte Rollenbilder überwunden werden können, haben die letzten Jahrzehnte gezeigt. Waren die Aufgaben von Erwerbsarbeit bis Haushalt zwischen Mann und Frau noch vor 40 Jahren ziemlich genau aufgeteilt, verschwimmen die Grenzen. Zum Glück. Aber gewisse Interessen und Neigungen bleiben wohl. Weil sie eben nicht gesellschaftlich konstruiert, sondern biologisch verankert sind.

Ist es also schlimm, wenn sich Mädchen im 21. Jahrhundert für Puppen oder Pferde interessieren – und Buben für Bagger, Kampfspiele und Fussball? Kaum. Einige Soziologen weisen zurecht darauf hin, dass es gerade in der heutigen Zeit wichtig sei, dass es auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern gebe, dass Kinder schon früh herausfinden wollten, wie sich Jungs und Mädchen unterscheiden. Das sei bei den meisten Kindern ein wichtiger Prozess der Identitätsbildung.

Mit Pferden und Prinzessin Elsa kann er nichts anfangen

Das haben sich wohl auch unsere Jungs zu Herzen genommen. So hat der Sechsjährige im Sommer zum Schulstart ein Fussball-Quartett erhalten. Er verbringt nun Stunden damit, diese Karten zu sortieren und zu vergleichen, ob nun Toni Kroos, Xherdan Shaqiri oder eben doch Ronaldo mehr Länderspiele absolviert haben und ob Messi oder Neymar mehr Tricks können.

Bild: Getty

Mit Pferden oder mit Prinzessin Elsa, für die viele Mädchen in seiner Klasse schwärmen, kann er nichts anfangen. Als wir in den Herbstferien einen Reiterhof besuchen wollten, ging ein Zeter und Mordio los. Nein! Auf keinen Fall! Da komme ich nicht mit!

Dabei war das mit dem Reiten familienbedingt gar nicht so eine klare Sache. Mein Vater war im Militär in der Kavallerie und dementsprechend Besitzer eines Pferdes. Die Folge: Mit sechs Jahren schickten mich meine Eltern in einen Reitkurs, bei dem ich mit Abstand der Kleinste war.

Es war, um es vorsichtig zu formulieren, nicht von Erfolg gekrönt. Weniger wegen der Rollenbilder, die mir nicht behagt hätten, sondern wegen der grossen Pferde, auf die ich steigen und auf deren Sattel ich irgendwelche akrobatischen Kunststücke vollbringen sollte, während sich der Gaul im flotten Trab im Kreis drehte. Ein Graus!

Aber immer noch besser, als sich für einen vorbeifahrenden Porsche zu interessieren.

Jürg Ackermann lebt mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen (9 und 6) in St. Gallen

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