In der «Jung & Alt»-Kolumne schreibt unser Autor Ludwig Hasler, 77, alternierend mit Samantha Zaugg, Journalistin, 27. Diese Woche erklärt Zaugg, weshalb Spass bei der Arbeit zur Falle werden kann.
Lieber Ludwig
In deinem letzten Brief machst du den jungen Leuten ein Kompliment. Ich weiss aber nicht so recht, ob ich das annehmen will. Denn was du beschreibst, beobachte ich je länger, je mehr mit Skepsis. Du schreibst, wir Jungen wollen mehr als Job und Salär. Dass wir in unserer Arbeit Sinn suchen, gesellschaftliche Bedeutung und auch Vergnügen. Wieso auch nicht? Aber ich glaube, langfristig ist diese Einstellung eine Falle.
Ich will mal erläutern. Und zwar mit einem Zitat: «Wähle einen Job, den du liebst, und du musst nie wieder einen Tag im Leben arbeiten». Weiss nicht mehr, wer das gesagt hat, ist auch nicht wichtig. Denn das ist einfach einer dieser unsäglichen Motivationssprüche. Von denen gibt’s tausende. «Wenn die Arbeit ein Vergnügen ist, wird das Leben zur Freude». Oder in den sozialen Medien: #lovemyjob. Mit dem Hashtag finden sich tatsächlich 27,7 Millionen Treffer. Lange dachte ich auch, dass man seinen Job lieben muss. Ist ja unsinnig, jeden Tag mehr als acht Stunden mit etwas zu verbringen, das man nicht mag.
Aber unterdessen bin ich da nicht mehr so sicher. Denn wer seinen Job liebt, der identifiziert sich auch damit. Definiert sich durch seine Arbeit. Und kann sich dann nicht mehr abgrenzen. Wenn wir etwas gerne tun, dann wollen wir gut sein. Noch bisschen länger arbeiten, Mails auf dem Heimweg beantworten, oder nach Feierabend, am Wochenende, in den Ferien, nachts. Weil: Man macht es ja gerne.
Mich erschleicht langsam das Gefühl, das ganze Ding mit der Liebe zur Arbeit einfach ein weiteres Feld für Selbstoptimierung ist. Vielleicht wäre es gut, wenn Arbeit einfach Arbeit ist. Man erledigt seinen Job, ordentlich, na klar. Aber das muss ja eigentlich auch reichen. Ich bin recht sicher, langfristig tut uns das nicht gut, wenn wir uns zu fest über unsere Arbeit definieren. Damit reduzieren wir unsere Identität auf eine einzige Facette. Es schlittern reihenweise junge, gesunde, gut ausgebildete Menschen in Depression und Burnout. Vielleicht ist das der Grund?
Hab ich mir übrigens nicht selbst ausgedacht. Sondern quasi abgeschrieben. Bei Arthur C. Brooks Kolumne im «Atlantic». Will mich hier nicht mit fremden Federn schmücken. Und auch zeigen, dass das Ganze nicht einfach Erfindung der Schneeflocken-Millennials ist. Du sagst, früher hiess es: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Heute: Arbeit und Vergnügen, bitte gleichzeitig! Dabei wäre es vielleicht schlau, einen Schritt zurück zu machen. Von der Arbeit nicht zu erwarten, dass sie einen erfüllen muss. Vielleicht wäre es am besten zu sagen: Weniger Arbeit, mehr Vergnügen. Ich glaube, das würde auch ziemlich viele andere Probleme lösen.
Darüber schüttelt ihr Alten wohl bloss den Kopf, nicht wahr?
Samantha