«Jung & Alt»-Kolumne
Nicht gegendert ist auch gegendert

In der «Jung & Alt»-Kolumne schreibt unser Autor Ludwig Hasler, 77, alternierend mit Samantha Zaugg, Journalistin, 27. Diese Woche geht’s um Sprache, ums Gendern und um Schubladen.

Samantha Zaugg
Samantha Zaugg
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Das Kälbchen hats gut. Muss sich nicht ums Gendern kümmern. Das Glückliche!

Das Kälbchen hats gut. Muss sich nicht ums Gendern kümmern. Das Glückliche!

HUGC

Lieber Ludwig

Heute will ich mich mal mit schlauen Referenzen aufspielen. Aber zuerst musst du mir was verraten! Wo hast du das denn aufgeschnappt? «Was macht das mit euch?» Dieser Ausdruck begegnet mir in letzter Zeit häufig. Beinahe inflationär. Wahlweise auch als Aussage «Das macht was mit mir.» Scheint mir was Neueres zu sein.

Dieses «Was macht das mit dir?» lässt mich ratlos zurück. Die Formulierung hört sich ungenau an, ich weiss nicht genau, wo sie hinzielt. «Machen» tönt irgendwie bemüht sensibel, fast schon kindlich. Trotzdem finde ich die Aussage eigentlich nicht verkehrt. Weil Sprache ja schon was «macht». Obacht, da kommt die erste Referenz!

Es gibt die Theorie der Sprechakte, vom britischen Philosophen John Austin. Er sagt, dass gesprochene Sprache eine Veränderung der Realität ist. Namensgebung, Befehle, Versprechen oder sprachliche Rituale. Zum Beispiel wenn der Standesbeamte sagt: «Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau.» Dann sind das zwar nur Worte, die formen aber ganz konkret die Lebensrealität der beiden Menschen.

Ich glaube, das haben viele junge Menschen irgendwie verstanden. Dass Sprache Realität schafft, dass man Sprache aktiv gestalten und für sich einsetzen kann. Als Werkzeug zu Selbstermächtigung. Paradebeispiel ist natürlich Sprache und Geschlecht. Referenz Nummer zwei: Judith Butler. Butler hat dazu allerhand Interessantes geschrieben, vor allem spannend finde ich aber, wie Butler sich selbst definiert. Sie identifiziert sich als non-binär, fühlt sich also weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig, braucht für sich also genderneutrale Pronomen. Statt mit «er» oder «sie» möchte Butler mit «they» angesprochen werden. Ich mach mal ein Beispiel: Butler hat die Theorie der Sprechakte in Bezug auf Gender interpretiert. They sagt, dass mit Sprache auch viele Zuschreibungen zu Geschlecht verbunden sind und eine Identität markiert.

Und, wie geht’s mit dem they-Pronomen? Stehen dir die Haare zu Berge? Wenn ich ehrlich bin, ein bisschen würd ich’s verstehen. Ist noch ungewohnt und sperrig. Und ich glaube auch, dass vor allem ältere Leute sich gegen sprachliche Veränderungen sträuben, weil der Wandel von Sprache auch politisch ist. Um beim Gendern zu bleiben: Geschlechtergerechte Sprache war zuerst mal ein Anliegen des Feminismus. Und der kam früher ja vor allem von Links. Vielleicht wollen die Leute nicht zugeordnet werden, sich nicht in eine Schublade stecken lassen. Aber soll ich dir was verraten? Wer sich konsequent weigert, macht auch eine Aussage. Nicht gegendert ist halt auch gegendert. Frei nach dem Motto: «Man kann nicht nicht kommunizieren.» Beste Grüsse von Paul Watzlawick.

Was meinst du? Wieder mal die Jungen, die alles identitätspolitisch aufladen müssen?

Samantha

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