«Jung & Alt»-Kolumne
Nicht Eigentum und nicht binär

In der «Jung & Alt»-Kolumne schreibt unser Autor Ludwig Hasler, 78, alternierend mit Samantha Zaugg, Journalistin, 28. Diese Woche geht’s um Menschen die nichtbinär sind, und andere, die das nicht verstehen.

Samantha Zaugg
Samantha Zaugg
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Wem gehören eigentlich Vögel? Im England gehören alle ja alle Schwäne dem König. In der Schweiz ist das nicht so klar.

Wem gehören eigentlich Vögel? Im England gehören alle ja alle Schwäne dem König. In der Schweiz ist das nicht so klar.

Keystone

Lieber Ludwig

Mehr Poesie und mehr Vögel, find ich gut! Ich mag ja Vögel wirklich sehr gerne. Raben und Elstern zähle ich sogar zu meinen Lieblingstieren. Ich hab nachgedacht, warum ich Vögel so gut finde. Und ich glaube, am liebsten mag ich, dass Vögel niemandem gehören. Sie sind einfach da. Wie Landschaft.

Obwohl: Dass sie niemandem gehö­ren, ist gar nicht so klar. Es gibt schliesslich das Jagdgesetz und das regelt den Umgang mit Wildtieren. Und um etwas zu regulieren, muss ja ein gewisser Besitzanspruch da sein. Das führt mich zum Begriff des Nichteigentums. Nichteigentum, also Dinge, die niemandem gehören, ist sehr selten. Das hat Maria Eichhorn in einer Arbeit aufgezeigt. Eichhorn ist eine deutsche Künstlerin und wollte 2017 ein Haus in Griechenland zu Nichteigentum deklarieren. War ziemlich verzwickt und hat auch so halb geklappt. Aber das Kunstwerk ist ein interessantes Gedankenexperiment. Nun bin ich sicher, dass sich einige Leute an dieser Stelle fragen, ob so was nun überhaupt Kunst sei. Und ich kann sagen, Ja, geschätzte Leserschaft, das ist Konzeptkunst.

Ist dir was aufgefallen? An meiner Anrede? Ich hab geschrieben «geschätzte Leserschaft» statt «Damen und Herren». Weisst du wieso? Weil das genderneutral ist. Eigentlich denke ich, dass zum Gendern unterdessen alles gesagt ist. Die Argumente liegen auf dem Tisch. Man macht es, wenn man will, oder man macht es nicht, wenn man nicht will. Kurzum: Das Thema ist eigentlich durch. Aber ich erlebe, dass vor allem ältere Leute da irgendwie noch Bedarf haben. Vor allem wenn es um Genderneutralität geht. Öfters höre ich von älteren Leuten ziemlich einfältige Witze dazu. Einfältig deshalb, weil die Leute das Thema nicht richtig verstanden haben und das mit ihren Witzen gleich selbst zeigen.

Kürzlich ging es zum Beispiel um angemalte Fingernägel bei einem Mann, und ob man noch er sagen dürfe, oder ob er jetzt ein Es sei. Ein gutes Beispiel. Es zeigt, dass die Person irgendwie erfahren hat, dass es nonbinäre Menschen gibt. Es zeigt aber auch, dass die Person das Konzept nicht richtig verstanden hat. Dass sie aber dennoch das Bedürfnis hat, darüber zu sprechen, es kommt also zum missratenen Witz.

Mich interessiert nun: Woher kommt das? Wieso haben alte Menschen so einen Krampf mit dem Gendern? Insbesondere mit der Vorstellung, dass es nonbinäre Menschen gibt, also Personen, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren? Und wieso haben sie auch das Bedürfnis, das immer wieder zu lancieren? Und wie siehst du das? Findest du auch, man darf ja nichts mehr sagen? Verstehst du das Thema? Oder soll ich mal was erklären?

Samantha

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