«Jung & Alt»-Kolumne
Ein Bier am Pistenrand

In der «Jung & Alt»-Kolumne schreibt unser Autor Ludwig Hasler, 77, alternierend mit Samantha Zaugg, Journalistin, 27. Diese Woche schreibt Zaugg über Hass und Liebe zum Skifahren.

Samantha Zaugg
Samantha Zaugg
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In den Bergen isst das Auge dank grandioser Aussicht oft mit.

In den Bergen isst das Auge dank grandioser Aussicht oft mit.

Bild: Keystone

Lieber Ludwig

Im Verzicht Befreiung finden ist eine gute Sache. Ich glaube, man kann darin viel Gelassenheit finden. Denn Besitz bedeutet Aufwand. Wer ein Haus hat, ein Auto oder teure Kleidung, der muss sich drum kümmern. Man muss Dinge pflegen, warten, im Schuss halten. Und sie brauchen halt auch einfach Platz.

Beim Lebensstandard ist es ähnlich. Wer sich an ein Level gewöhnt hat, möchte das auch halten. Das macht auf Dauer unfrei. Ich glaube, das ist ein Privileg der Jugend. Man hat noch nicht so viel Gepäck. Ein anderes Privileg, das die meisten von uns nicht mehr haben: vor der Haustür Ski fahren.

Ich wollte kürzlich auf die Piste. Und musste hoch in die Berge. Doch es hat sich gelohnt, es war wirklich wunderbar! Erstaunlich, dass ich das schreibe. Das Skifahren war mir lange ein rotes Tuch. Als Kind hatte ich es nie gelernt, in meinem Umfeld war Wintersport kein grosses Thema. Das änderte sich in der Kantonsschule. Da gingen alle zum Skifahren. Und ich wollte natürlich mit.

Also habe ich mich für den Skitag angemeldet. Obwohl ich eigentlich nicht Ski fahren konnte. Ein absolutes Drama. Irgendwie bin ich auf eine schwarze Piste geraten. Verzweiflung, Erschöpfung, Abfahrt im Stemmbogen. Spott der Kollegen inklusive. Das alles bei heftigem Schneesturm. Was hab ich das elende Skifahren vermaledeit!

Ich habe nicht verstanden, was die Leute dran finden, und mich auch geärgert, dass alles, was damit zu tun hat, so furchtbar teuer ist. Eines Tages habe ich dann doch noch die Freude am Skifahren entdeckt. Hatte wohl auch damit zu tun, dass mir irgendwann egal war, was die Leute über meinen Stil dachten.

Heute bezeichne ich mich als unerschrockene, als furchtlose Skifahrerin. Beim Zuschauen sieht man das vielleicht nicht. Aber wenn die Leute wüssten, mit wie wenig Fähigkeiten ich unterwegs bin, würden sie mir zustimmen. Item, ich war also beim Skifahren und hab mich am Schnee und an den Bergen erfreut. Und gleichzeitig jedes Mal auf dem Sessellift gedacht, was das doch eigentlich für ein Unsinn ist, den ich grad anstelle. Dass ich sage, ich liebe die Berge, die Natur, aber gleichzeitig nutze ich Infrastruktur, die diese Landschaft zerstört. Ich meine, wie mit der Bergbahn Pommes frites, Peterli und Cordon bleu auf den Berg gefrachtet werden – total unsinnig!

Ich musste mich richtig anstrengen, die Moralglocke in meinem Hinterkopf zu überhören. Und trotzdem: Es war wunderbar, auf der Terrasse zu sitzen und ein Bier zu trinken.

Was meinst du? Ist das eine Spezialität von uns Jungen? Dass wir alles so verkopfen? Dass wir so moralisierend sind?

Samantha

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