In seiner aktuellen Kolumne erklärt unser Mundartexperte, woher die regionalen Unterschiede bezüglich der Benennung unseres beliebtesten Osterbrauchs kommen.
Der Tupf heisst schweizerdeutsch auch Tupfe, das ist aber ursprünglich die Mehrzahlform. Das Wort bezieht sich wie Stupf auf eine Stossbewegung und bezeichnet daher zunächst eine Vertiefung.
Tupfe sind kleine Punkte, von selbst entstanden, etwa durch eine Hautkrankheit, oder von Hand gemacht. Es gibt sie als Stoffmuster und als Zusatzzeichen in Schriften. In der alten deutschen Schrift, der Kurrentschrift, war das I-Tüpfli besonders wichtig, denn ohne diesen Zusatz meinte der halblange Strich kein i, sondern ein c.
In einer Urkunde sollte alles bis uf letzte Itüpfli (genaustens) festgehalten sein. Wer es aber in solchen Fragen gar zu exakt nimmt, gilt bald einmal als Tüpflischiisser (Pedant). Gegenstände, die in allen Einzelheiten identisch aussehen, sind tupf(e)-, tüpfligliich, si gliiche sech uf de Tupf. Drüü Joor isch es häär, uf de Tupf.
Das Verb tüpfe, tupfe (englisch dip) bedeutet ‹berühren, eintunken›, aber auch ‹schlagend treffen›, etwa bei einem Wurfspiel mit Nüss oder Marmeli. Man kann jemanden auch verbal tüpfe, mit Sticheleien, Anspielungen.
Zu Ostern werden gefärbte Eier nach bestimmten Regeln gegen einander gestossen; nur in der Innerschweiz und im Wallis ist der Brauch neu. In der nordöstlichen Schweiz sagt man dafür mehrheitlich tütsche, teilweise auch pöpperle (östl. Thurgau, nördl. St. Gallen). In Graubünden heisst es putsche, pütsche. Am häufigsten ist tüpfe; so sagt man traditionell im Westen vom Berner Simmental bis zum Aargauer Jura.
Wer aber die Veranstaltungskalender der Osterzeit studiert, stellt fest: tütsche hat sich stark ausgebreitet, auch in den Kantonen Bern und Solothurn.
Niklaus Bigler war Redaktor beim Schweizerdeutschen Wörterbuch (idiotikon.ch).