In der «Jung & Alt»-Kolumne schreibt unsere Autorin Samantha Zaugg alternierend mit Ludwig Hasler, Philosoph und Publizist, 76. Diese Woche sinniert Zaugg über die bald fälligen Steuern.
Lieber Ludwig
Ich muss zugeben, in deinem letzten Brief hast du etwas geschrieben, worüber ich so noch nie nachgedacht habe. Verhütung habe ich bisher nicht als Generationenthema begriffen. Dabei macht es absolut Sinn. Die meisten meiner Altersgenossinnen und -genossen waren geplant. Wunschkinder, von Anfang an Lebensmittelpunkt und Projektionsfläche der Eltern. Sie unternahmen alles, damit wir uns optimal entwickeln konnten. Babyschwimmen, Musikschule, Kindergeburtstage. Bei euch wurde gefolgt, fertig.
Ich dachte bisher, diese Unterschiede kämen daher, dass das Geld knapp war, weil die Leute anders waren. Strenger, härter vielleicht. Schliesslich hat man damals ja auch seine Haustiere gegessen. Anderer Vibe halt. Dass es vielleicht auch damit zu tun hat, dass man Kinder bekam, ob man wollte oder nicht, das kam mir bisher nicht in den Sinn.
Deine Generation hatte jedenfalls eine strenge Kindheit, dafür waren die wirtschaftlichen Zeiten freundlicher. Aufschwung war Programm. Bei uns ist es umgekehrt: Wir wuchsen auf im Verständnis, dass wir etwas Besonderes, dass unsere Träume und Ziele wichtig sind. Der Einstieg in die Arbeitswelt zeigte eine andere Realität. Kognitive Dissonanz, das Empfinden stimmt nicht mit dem Erleben überein.
Themenwechsel. Du hast letzte Woche darüber sinniert, wie es wäre, wenn wir unseren Dialog in der NZZ führen würden. Ich sage dir: Du kannst froh sein, führen wir ihn nicht im Parlament. Denn sonst müsste ich schleunigst einen Ordnungsantrag stellen. Mir scheint, da ist etwas mit den Rollen durcheinandergeraten. Da nimmst du Referenz auf Billie Eilish, dabei sollte ich coole junge Frauen zitieren. Na gut, jemand muss für Ordnung sorgen. Ich zitiere also das Gegenteil von Billie Eilish, und das ist Ueli Maurer. Er sagt, ihn reut jeder Franken.
Und das denke ich manchmal auch. Zum Beispiel, wenn, wie diese Tage, die Steuerunterlagen reinschwirren. Aber dann denke ich noch ein bisschen weiter, und dann reut’s mich nicht mehr. Denn dann kommt mir in den Sinn, was ich schon so alles bekommen habe für meine Steuern. Allein meine obligatorischen neun Schuljahre haben rund 100 000 Franken gekostet. Bezahlt haben das nicht meine Eltern, sondern eben die Allgemeinheit. Da bekommt man ganz schön was fürs Geld. Und da sind wir beim Thema, denn eigentlich wollten wir ja über Bildung schreiben. Aber vor lauter Pille habe ich keinen Platz mehr. Dafür eine Frage.
Meine Schulzeit habe ich in guter Erinnerung. Trotzdem sehe ich rückblickend Verbesserungspotenzial. Wie ist das bei dir? Hat dich die Schule gut auf dein späteres Leben vorbereitet?
Samantha