Nirgends ist Weihnachten ein so besonderes Erlebnis wie in Jerusalem. Vor den Toren
liegt Bethlehem, und innerhalb der Stadtmauern begegnen sich drei Weltreligionen.
Jerusalem ist ein Geschichtsbuch und umstritten bis heute. Um 1000 vor Christus soll König David vom Stamm Juda die Stadt erobert und zur Hauptstadt eines Grossreichs gemacht haben, das danach in immer wieder blutigen Eroberungen in die Hände der Babylonier, Perser, Römer und der muslimischen Araber fällt. Nach dem Ersten Weltkrieg übernehmen die Briten die Verwaltung, die Unabhängigkeit Israels 1948 heizt den Konflikt zwischen Juden und Palästinensern dann erst richtig an.
Vor den Toren Jerusalems liegt Bethlehem. Von hier soll König David stammen – der Mann, in dessen Nachfolge Jesus steht. Eine Höhle wird denn auch seit dem 2.Jahrhundert als Jesu Geburtsort verehrt. Wobei die Schilderungen dieser Geburt in den Evangelien ebenso widersprüchlich bleiben wie die familiären Verhältnisse. Aber, wie der bedeutende palästinensische Historiker Nazmi al-Jubeh sagt: «Man sollte mich in Jerusalem nicht nach geschichtlichen Fakten fragen. Zieht man die Fiktion ab, bleibt nichts übrig.»
Dass Jerusalem Kampfplatz ist und bleibt, wird nirgends deutlicher als in der Grabeskirche. Im Jahr 326 pilgerte die Mutter Kaiser Konstantins hierher, bestimmte den Leidensweg Christi, liess am Golgathafelsen eine Kirche bauen und verlegte den Ort alter jüdischer Mythen hierher. Die heutige Kirche ist ein trauriger Abklatsch der allerersten, sechs christliche Gemeinschaften erheben Anspruch auf sie und ringen eifersüchtig um jeden Zentimeter des Bauwerks. Gelegentlich kommt es zu Schlägereien.
An Heiligabend bildet sich auf dem Zionsberg eine lange Schlange. Hier auf dem Zionsberg liegt im Niemandsland zwischen Israel und Jordanien die 1901 von den deutschen Benediktinern errichtete Dormitio-Abtei. Bevor sie sich aufmachen nach Bethlehem, feiern die Mönche Weihnachten. Die Besucher des Gottesdienstes sind zu 95 Prozent Juden. Weihnachten wird in Jerusalem gleich dreimal gefeiert – von den Westkirchen am 25. Dezember, von den Ostkirchen am 6. Januar und von der Armenischen Kirche am 19. Januar.
Das erste lange Kapitel in der Geschichte Jerusalems schreiben die Juden. Wo heute der Felsendom steht, errichtet ihr König Herodes der Grosse einen Tempel, der 70 n. Chr. von den Römern zerstört wird. Übrig bleibt jener Teil der Umfassungsmauer, der heute als Klagemauer jener Ort ist, in dessen Ritzen die Juden auf Zetteln ihre Wünsche deponieren, die Gott dann mit besonderem Wohlwollen betrachtet. Einmal in der Woche werden sie von Mitarbeitern der Stadt herausgenommen und in geweihter Erde begraben.
Eines Nachts hatte der Prophet Mohammed eine Vision: Auf seinem Pferd ritt er zu einem namenlosen Heiligtum, stieg in den Himmel auf und begegnete seinen «Vätern» (Adam und Abraham) und seinen «Brüdern» (Moses, Joseph und Jesus). Muslime verorten dieses Heiligtum auf dem Tempelberg und errichten hier im 7. Jahrhundert die Al-Aksa-Moschee und den Felsendom. Auf dem Felsen in seiner Mitte soll Abraham Isaak geopfert und Mohammed in den Himmel gestiegen sein – und dabei einen Fussabdruck hinterlassen haben.