Startseite
Leben
Gleich zwei Start-ups bringen ein Mineralwasser mit Alkohol auf den Schweizer Markt. Was ist dran und drin in den Dosen, die den nächsten erfrischenden Trink-Trend versprechen?
Hard Seltzer, ein so simples Getränk, dass man sich fragen muss, warum es nicht schon länger existiert: Mineralwasser (Seltzer) mit fünf Prozent Alkohol versetzt. Das schmeckt erfrischend nach nichts, und genau das ist der Clou.
Hard Seltzer, das ist Alkoholtrinken im selbstoptimierten Millennial-Style. Ohne künstliche Aromen, ohne Gluten, ohne zugesetzten Zucker und – ganz wichtig – mit wenig Kalorien. Zumindest weniger als ein Bier.
Sogenannte «Hard Seltzers» sind alkoholhaltige, kohlensäurehaltige Getränke, die mit Geschmacksstoffen versetzt werden. Sie werden als Lifestyle-Produkte angeboten, die wenig Zucker und Kalorien enthalten aber dennoch alkoholisch sind. Der Alkohol wird meist durch Gärung von Malz oder Zucker gewonnen. Diese Produkte unterliegen sowohl beim Import wie auch bei der Herstellung in der Schweiz nicht dem Alkoholgesetz und sind damit nicht spirituosensteuerpflichtig. Es gibt jedoch auch Hard Seltzers, denen ethanolhaltige Aromen oder Ethylalkohol in anderen Formen beigemischt werden. (kaf)
Denn Alkohol hat immer Kalorien, diesen Umstand bringt man auch im Jahr 2020 nicht weg. Trotzdem ist in den USA der Markt der Alkohol-Mineralwasser in den letzten zwei Jahren explodiert. Fast alle grossen Brauereien habe ein eigenes Hard Seltzer in den Regalen, sogar Mineralwasser-Hersteller mischen eifrig mit. Der Absatz bei White Claw, dem führenden US-Hersteller, stieg letztes Jahr um 238 Prozent. Zum Teil waren die weissen Dosen vergriffen, bis 2023 soll sich das Marktvolumen laut Experten verdreifachen.
«Viele Studenten in den USA trinken statt Bier fast nur noch Hard Seltzer», sagt Patrick Bühler. Der Zürcher Jungunternehmer war letzten Sommer mit Freunden in den USA unterwegs.
Es ist unglaublich, die Regale sind voller Hard-Seltzer-Variationen, und bei uns wissen die meisten immer noch nicht, was das überhaupt ist.
Zurück in der Schweiz setzte sich bei Bühler die Idee fest, ein eigenes Alkoholmineralwasser auf den Markt zu bringen. Und zwar schnell. Was einfacher gesagt als getan war. Denn gerade wegen der kurzen Zutatenliste liegt der Teufel im Detail.
«Wir haben über 40 Rezepturen ausprobiert und anfangs damit experimentiert, den Alkohol selber aus Zucker oder Malz zu fermentieren, wie es bei den klassischen Hard Seltzers gemacht wird», sagt Bühler. Doch das sei aufwendig gewesen und das Resultat nicht überzeugend.
Dann kam der Vater seines Mitstreiters Christoph ins Spiel. Der erfahrene Brenner von Obstschnäpsen und Besitzer einer Destillerie in Bülach brachte die beiden darauf, einen hochprozentigen und sehr reiner Alkohol zu verwenden. Die Rezeptur ist geheim. Er wird mit Mineralwasser bis auf 5 Volumenprozent verdünnt und mit Zitronengeschmack versetzt. Fertig ist Nylo, das erste Schweizer Hard Seltzer.
Vor drei Wochen konnten die ersten 3000 Dosen verschickt werden. Nach drei Tagen seien sie ausverkauft gewesen, sagt Patrick Bühler. «Der Ansturm war extrem, auch viele Bars und Getränkehändler haben angefragt. Tatsächlich zeigt sich im Test, dass Nylo erfrischend leicht und bekömmlich schmeckt, wie ein sehr leichter und frischer Gin Tonic.
Gefährlich gut würden Hard Seltzer schmecken, heisst es von Sucht Schweiz. Mediensprecher Markus Meury warnte gegenüber dem «Tages-Anzeiger» schon im März, dass vor allem das Marketing der alkoholhaltigen Sprudelwasser gefährlich sei: Die Dosen würden als Wellnessdrinks und gesündere, weniger kalorienhaltige Alternative angepriesen.
Sucht Schweiz fordert deshalb, dass man prophylaktisch reagieren müsse – am besten mit einer Sondersteuer wie bei den Alcopops. 2004 hatte man den klebrig süssen Alkohol-Mixgetränken auf die Art einen Riegel geschoben.
Patrick Bühler von Nylo will nicht verheimlichen, dass man ein alkoholisches Getränk und keinen Gesundheitsdrink verkaufe. «Bei unserer zweiten Charge haben wir nun die Altersangabe, ab 18 Jahre, aufgedruckt. Auch sei das Design der Dose bewusst schlicht gehalten. Bühler versichert:
Wir wollen keine Jugendlichen damit verführen.
Allein der Preis einer Dose Nylo dürfte zurzeit verhindern, dass sich Jugendliche damit betrinken. Noch kostet ein 6er-Pack stolze 24 Franken. Das sei noch zu teuer, sagt Bühler. «Erst wenn wir grössere Chargen produzieren, können wir mit dem Preis hinunter, was das Ziel sein muss, um konkurrenzfähig zu bleiben.»
Die Konkurrenz steht schon in den Startlöchern – und sie kommt auch aus der Schweiz. In zwei Wochen wird ein Hard Seltzer aus Stäfa bereit zu Auslieferung sein. Ohne jegliche Werbung würden sie seit Wochen mit Bestellanfragen überhäuft, sagt Marcel Wäckerli. Auch er und seine Mitgründer liessen sich für ihr Alkohol-Mineralwasser Bubblz von den USA inspirieren. Im Unterschied zu Nylo aus Bülach wird Bubblz im Ausland abgefüllt. Das wirkt sich auf den Preis aus. Eine Dose Bubblz Tropical kostet online weniger als zwei Franken.
Der Reigen um die Sprudelwässerchen mit Schuss ist auch in der Schweiz eröffnet. Eine der grössten Mitspielerinnen hat sich jedoch selbst aus dem Rennen genommen. Die Brauerei Feldschlösschen lässt auf Anfrage ausrichten, dass man zwar Markenschutzabklärungen getroffen habe, aber kein Hard Seltzer lancieren werde.
Man setzte auf alkoholfreie Biere. Das ist besser fürs Image. Das heikle, aber lukrative Geschäft mit den spritzigen Dosen will Carlsberg, die Besitzerin von Feldschlösschen, übernehmen. Die Abklärungen laufen.