Sachbuch Die moderne Ökologiebewegung setzt auf das Gleichgewicht. Nicht zu Unrecht wird deshalb der Münchner Zoologe Josef H. Reichholf als Enfant terrible des Naturschutzes bezeichnet.
Die moderne Ökologiebewegung setzt auf das Gleichgewicht. Nicht zu Unrecht wird deshalb der Münchner Zoologe Josef H. Reichholf als Enfant terrible des Naturschutzes bezeichnet. Er versteht aus jahrzehntelanger Forschung enorm viel von der Materie, und er widerspricht gängigen Positionen gern und heftig – wie er vor einem Jahr auch in St. Gallen bewiesen hat. In einer kleinen Streitschrift macht er nun seinem Unmut Luft. «Gestern war sie noch die beste aller Welten, heute ist sie in Gefahr, und morgen droht ihr Untergang», lautet ihr erster, unverkennbar ironisch zugespitzter Satz. In der Folge begründet Reichholf dann, warum mit Zukunftsangst und mit dem Bemühen, heutige Zustände zu konservieren, noch gar nichts gewonnen ist. Im Gegenteil. Denn «die Natur braucht Ungleichgewichte, damit Neues entstehen kann», schreibt er. Und die Gesellschaft auch. (R.A.)
Josef H. Reichholf: Stabile Ungleichgewichte. Die Ökologie der Zukunft, Suhrkamp Frankfurt 2008, Fr. 18.90
Passend zum aktuellen Darwin-Jahr, heisst der erste Satz dieses Kinderbuches: «Der Affe ist mit dem Menschen verwandt. Menschen und Affen haben dieselben Vorfahren. Sie lebten vor vielen Millionen Jahren.» Damit ist die Exkursion in die Evolutionstheorie aber beendet, und das Buch wendet sich Kinderfragen zu. In diesem Band aus Meyers Kinderbibliothek erfahren Kinder einiges über das Leben der Affen und Halbaffen. Mit transparenten Folien werden Kleinkinder überrascht und sehen zum Beispiel beinahe plastisch, wie das Gorillababy auf der Mutter herumklettert oder wie ein Schimpanse seinen Gesichtsausdruck verändern kann. Schön illustriertes Sachwissen für Kinder ab drei Jahren kompakt vermittelt. (Kn.)
Meyers kleine Kinderbibliothek: Der Affe, Bibliographisches Institut & Brockhaus, Mannheim 2009, Fr. 15.–
Mit dem exklusiv für das Theater Konstanz produzierten «Shiwago-Projekt» von Mario Portmann wächst das Theater über sich hinaus: dreidreiviertel Stunden packendes, vielschichtiges Theater schickt das eindimensionale berühmte Filmmelodram in die Wüste. Ohne romantische Verklärung bringt Portmann wesentliche Stationen des Lebens von Dr. Shiwago, seine Lebensphilosophie, seinen Freiheitswillen auf die Bühne, in enger Verzahnung mit dem historischen Umfeld. Damit nicht genug, zieht er die Parallelen zum Romanautor und seinem Verleger: mit einer Collage aus Romanstellen, Briefen und Ausschnitten aus Carlo Feltrinellis Biographie «Senior Service» über seinen Vater, Verleger Giangiacomo Feltrinelli. Eng verflochten sind die Viten der drei Männer nicht nur geistig, sondern auch in ihren (Dreiecks-)Verhältnissen zu Frauen. Politische und individuelle Schicksale, Krieg, Revolutionen und kurze Momente des Liebesglücks verbinden sich zu einem plastischen Gemälde.
Die Fragen sind drängend: Wie viel Freiheit braucht, wie viel Freiheit verträgt der einzelne Mensch? Wann hat der Einzelne seine persönlichen Interessen dem Willen der Gemeinschaft unterzuordnen, wann kann und muss er sich auflehnen? Wie geht er mit seinen Idealen um? Wir erleben, wie Shiwago an ihnen und an seinem Leben zerbricht – mehr und mehr zerfällt Ingo Biermann als der Mann, der seine Cousine heiratet, in Lara seiner wahren Liebe begegnet, schliesslich beide im Stich lässt. Ergreifend spielt Kristin Muthwill die Tonja. Wie sie zeigt auch Susi Wirth als Lara grundverschiedene Gesichter: bald kindlich übermütig, bald trauernd, bald stark, bald zerbrechlich, zutiefst verletzt und leidend. Ausser Biermann schlüpfen die übrigen acht Spieler in mehrere Rollen, lassen in starken Szenen neben Pasternak (Frank Lettenewitsch) und Feltrinelli (Thomas Ecke) Familie und Revolutionäre lebendig werden. (H.V.)
Nächste Aufführungen am 15., 17., 21., 23., 24., 27., 28., 29. und 30. Januar. www.theaterkonstanz.de