Das kommende Jahr wird schrecklich. Satiriker Andreas Thiel versucht gar nicht erst, 2019 positiv zu sehen. Zum Querulanten würde das auch nicht passen.
Zukunftsforschung ist keine Wissenschaft, sondern die Unfähigkeit, Arbeiten wahrzunehmen, die in der Gegenwart anfallen. Wer den Müll nicht runterbringt, keine Glühbirnen ersetzt und Karton und Glas nie entsorgt, ist vermutlich Zukunftsforscher. Und er wird der Welt prophezeien, dass sie im Müll erstickt.
Die Redaktion fragt mich an, ob ich zum Jahr 2019 6000 Anschläge beitragen könne. Da ich weder Hellseher noch Orakel bin, habe ich der Redaktion 6000 Leerschläge angeboten. Das wäre ein ehrlicher Blick in die Zukunft. Aber Objektivität ist heutzutage in den Medien nicht mehr gefragt. Man will alles über eine Zukunft wissen, von der nicht einmal der Liebe Gott weiss, wie sie aussieht, weil er dem Menschen ja den freien Willen gegeben hat.
Aber ein paar Sachen kann man vorhersagen. So wird es bis Mitte 2019 zum Beispiel in der Schweiz nur noch eine einzige Partei geben: die Klimapartei. Deutschland wird von einer grossen Klima-Koalition regiert. Seit die Deutschen nicht mehr Deutsche sein wollen, weil sie das immer noch mit Nationalsozialismus gleichsetzen, wollen die Deutschen nur noch Europäer sein. Weil aber alle anderen Europäer lieber Spanier, Franzosen, Italiener oder Engländer sind als Europäer, müssen die Deutschen die anderen Europäer zunehmend mit Gewalt am Austritt aus der Europäischen Union hindern, weil die Deutschen ja nicht allein Europäer sein können. Deshalb wird bald die gesamte EU von einer paneuropäischen Klimakoalition deutscher Nation regiert. Die Nichtmitgliedschaft bei einer europäischen Klimapartei wird unter Strafe gestellt. Das Rahmenabkommen mit der EU zwingt den Bundesrat, alle Schweizer Bürger, die nicht einer Klimapartei angehören, an Deutschland auszuliefern.
Zudem wird Donald Trump 2019 von einer militanten Veganerin mit einer tibetischen Klangschale erschlagen. Der Weltklimarat ruft unter seiner neuen Präsidentin Hillary Clinton eine Weltklimaregierung aus. Länder, die sich nicht an die Weisungen der Weltklimaregierung halten, werden auf eine schwarze Liste gesetzt oder, falls sie bereit sind, sehr viel Geld an die Weltklimaregierung zu zahlen, bloss auf eine graue Liste. Dann bricht auf Island, wie dort schon langeerwartet, der Vulkan Hekla aus und pustet so viel Asche in die Atmosphäre, dass das Weltklima wieder einmal innerhalb von zwei Jahren um 2 °C sinkt. Es kommt zu langen Regenperioden, Ernteausfällen und Hungersnöten mitten in Europa. Die Weltklimaregierung passt ihre Politik den neuen Realitäten an und verbietet per Notrecht Sonnenkollektoren und Elektrofahrzeuge und weist die Welt an, mehr Kohlekraftwerke zu bauen und Kühlschränke wieder mit FCKW zu kühlen.
Die Klimaschützer wenden sich vom Klima ab und suchen sich ein neues Hobby, wie sie dies schon mehrmals taten. Sie taten es in den 1980ern nach dem Waldsterben bzw. nachdem der Wald dann doch nicht gestorben ist. Sie taten es in den 1990ern nach dem Ozonloch bzw. nachdem mit dem Ozonloch kein Geld mehr zu machen war. Und sie taten es um die Jahrtausendwende nach der Ausrufung des Weltfriedens, und zwar, nachdem der Weltfriede dann doch nicht eingetreten ist.
Die Klimaschützer erklären 2019 die weltweite Migration zur neusten Weltbedrohung und versprechen, die Welt vor der Migration zu retten. Deshalb wird 2019 ganz viel Geld zur Erforschung der weltweiten Migration in die Wissenschaft gepumpt. Die Weltklimaregierung nennt sich um in Weltmigrationsregierung und weist ihre beiden Migrationssonderbotschafterinnen Angela Merkel und Simonetta Sommaruga an, alle Menschen auf der ganzen Welt zu erfassen und dahin zu bringen, wo sie ihrer Meinung nach besser hinpassen als dort, wo sie gerade sind.
Der Liebe Gott wird auch noch ein Wort mitreden, aber keiner wird es hören, abgesehen von ein paar Schafhirten im Wallis, die das Wort Gottes aber für sich behalten, weil sie nicht glauben, dass in der heutigen Welt noch irgendjemand einem Schafhirten glauben würde, der das Wort Gottes verkündet. Denn dazu hat man heute Universitätsprofessoren, die das Wort Gottes jahrelang studiert haben an Universitäten, an welchen das Wort Gottes verworfen und durch das Wort des Menschen ersetzt wurde. Das Wort des Menschen wird verbreitet unter der Bezeichnung «Menschenrechte» und stellt aus Sicht des Menschen inso- fern einen Fortschritt gegenüber dem Wort Gottes dar, als dass das Wort des Menschen nicht nur mindestens so gerecht ist wie das Wort Gottes, wenn nicht sogar noch gerechter, sondern vor allem viel umfassender. Zudem ist der Mensch nach seinen eigenen Worten Gott gleichgestellt, während er im Wort Gottes unbegreiflicherweise noch nicht auf Augenhöhe mit Gott gestanden hatte.
Die Verkünder dieser Menschenworte beherrschen vom Sitz des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Strassburg aus die teilautonome Weltklimaregion Europa. Von dort herab verkünden Sie gegen Ende des Jahres 2019, dass es rassistisch sei, Weihnachtsmärkte mit Betonelementen und einem riesigen Polizeiaufgebot gegen muslimische Terroristen zu schützen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verlangt, dass Weihnachtsmärkte gerechtigkeitshalber zusätzlich auch gegen Christliche, Jüdische und anthroposophische Terroristen geschützt werden müssen.
Als rassistisch wird es zudem betrachtet, wenn Moscheen oder Koranschulen geschlossen werden, um die Rekrutierung von Dschihadisten zu verhindern. Nach einem wegweisenden Urteil des EGMR müssen gerechtigkeitshalber auch Rudolf-Steiner-Schulen als potenzielle Brutstätten für anthroposophische Terroristen betrachtet und daher geschlossen werden. Und mit jüdischen Thoraschulen und christlichen Priesterseminaren soll auch nicht anders verfahren werden. Denn wenn Muslime Terroristen werden können, wieso sollten es nicht auch Juden und Christen werden können? Und diese Frage stellt sich durchaus, wenn auch nur so lange, wie man sie nicht beantwortet.
Dank diesen Aussichten auf das Jahr 2019 gibt es auch etwas Positives zu vermelden: Im Jahr 2019 braucht die Menschheit keine Weltuntergangssekten mehr. Deren Rolle übernimmt in Zukunft die Wissenschaft, und zwar die Zukunftsforschung.
Andreas Thiel ist Satiriker und Kolumnist. Der 47-Jährige wohnt mit seiner Familie in Solothurn. Thiel hat den Salzburger Stier, den Prix Walo und den Deutschen Kabarettpreis gewonnen. Seit er jedoch die Muslime und den Koran anprangert (unter anderem in einem Artikel in der «Weltwoche» 2014), wird er als Satiriker von den Kulturhäusern nicht mehr gebucht. Thiel provoziert von Herzen gern und ist im Tabu-Bruch geübt.
Dieses Mal musste der Klimawandel den Kopf herhalten. Wir werden sehen, ob er sich dadurch aufhalten lässt. Wir entnehmen dem Text immerhin, dass offenbar sogar Nicht-Zukunftsforscher Thiel Karton und Glas vom übrigen Abfall trennt. Es gibt also Hoffnung.