Schweizer Jugend forscht
Preisgekrönte Suhrer Kantischülerin macht Jagd auf Bakterien

Die Suhrer Kantischülerin Nina Kathe erforscht, wie Antibiotika-Resistenzgene stillgelegt werden können. Dafür hat sie einen Preis bekommen.

Markus Kocher
Drucken
Kantischülerin Nina Kathe bringt nicht nur ihre Gegnerinnen, sondern auch Antibiotika-resistente Bakterien zur Strecke.

Kantischülerin Nina Kathe bringt nicht nur ihre Gegnerinnen, sondern auch Antibiotika-resistente Bakterien zur Strecke.

Zarte 18 Jahre jung und seit wenigen Tagen Preisträgerin des diesjährigen Nationalen Wettbewerbs von Schweizer Jugend forscht: Die Kantischülerin Nina Kathe begeistert mit ihrer Maturarbeit zu Antibiotika-Resistenzgenen in E. coli-Bakterien die Fachwelt. Doch wie kommt eine junge Frau dazu, tagelang über Petrischalen zu brüten, statt die neusten Tweets von Miley Cyrus & Co. zu teilen oder in hippen Modegeschäften stundenlang die ultimativen Klamotten zu shoppen?

Nina Kathe muss nicht lange überlegen. Bereits als Kind sei sie viel lieber mit ihren Eltern und Grosseltern in den Wald gegangen und habe Tiere und Pflanzen studiert, statt Freundinnen zu treffen oder die Hitparade zu hören. Etwas später habe sie angefangen, intensiv Fachliteratur zu Biologie und naturwissenschaftlichen Themen zu lesen, so Nina Kathe weiter. So sei sie letztlich auch auf das Thema ihrer Maturarbeit gestossen. «In einem Fachmagazin habe ich gelesen, dass die Zahl resistenter Bakterien mit besorgniserregender Geschwindigkeit zunimmt. Deshalb wollte ich herausfinden, ob allenfalls kurze RNA-Stücke (sRNAs) zum Stilllegen von Antibiotika-Resistenzgenen genutzt werden können.» Tönt kompliziert, und ist es auch. Nina Kathe lacht und sucht nach einfachen Worten: «Die DNA ist Trägerin der genetischen Information in allen Lebewesen. Damit aber Proteine produziert werden können, muss davon zuerst eine Arbeitskopie in RNA hergestellt werden. Mit sRNAs kann man die Protein-Herstellung gezielt blockieren, weshalb ich mir die Frage stellte, ob sich dieser Mechanismus auch zum Stilllegen von Antibiotika-Resistenzgenen eignet.»

Forschung und Karate – eine ideale Kombination

In einem ersten Schritt designte die Nachwuchswissenschaftlerin solche sRNAs gegen drei verschiedene Gene – zwei Antibiotika-Resistenzgene und ein fluoreszierendes Protein. Die den sRNAs entsprechenden DNA-Fragmente hat sie am Computer entworfen, bei einem spezialisierten Hersteller bestellt, vervielfältigt und in ein geeignetes Transportmittel, einen sogenannten Plasmid-Vektor, eingebracht. Im nächsten Schritt wurden die resistenten Bakterien dazu gebracht, diese Transporter mit den DNA-Fragmenten aufzunehmen. Die Bakterien wurden dann auf Petrischalen ausplattiert, über Nacht bei 37 Grad Celsius ausgebrütet und am nächsten Tag die gewachsenen Bakterienkolonien ausgezählt.

Was hier einfach töne, sei aber alles andere als ein Spaziergang gewesen, so Nina Kathe. «Im Prinzip arbeitet man blind, da – abgesehen von den Bakterienkolonien – alle Strukturen nur wenige Mikro- oder Nanometer gross sind.» Mit ein Grund, dass ihr der erste Versuch «komplett abverreckt» sei. Alles in allem ist die Tochter eines Treuhänders und einer Flight Attendant fünf Wochen lang rund 60 Stunden pro Woche im Labor gestanden, bis endlich eine Testreihe das gewünschte Resultat gezeigt hat. «Eine lange Zeit, während der es mehr als einen Augenblick gab, an dem ich dachte, dass es jetzt nicht mehr weitergeht.» Zum Glück sei die Motivation auch nach dem x-ten Fehlversuch grösser gewesen als der Frust. Hier komme ihr sicher das harte Karatetraining zugute, das sie seit dem 7. Lebensjahr absolviere, so Nina Kathe. Denn: «Wie im Karate muss man auch in der Forschung hart im Nehmen sein und einstecken können.»

Es funktioniert!

Den grossen Durchbruch habe sie ganz unspektakulär in Erinnerung, blickt Nina Kathe auf den Augenblick zurück, an dem erstmals ein Resistenzgen erfolgreich stillgelegt wurde. «Natürlich ist es ein schönes Gefühl, wenn man das erste Mal eine Petrischale in der Hand hat, auf der das Wachstum der resistenten Bakterien sichtbar verlangsamt werden konnte. Doch schon wenige Sekunden später überlegt man sich, wie man die Effizienz des Verfahrens weiter verbessern könnte.» Aus diesem Grund hat die 18-jährige Suhrerin mehrere Labors und Forschungsgruppen angeschrieben, die mit ähnlichen Methoden arbeiten.

Endziel sei der Übergang vom In-vitro-Experiment zur klinischen Anwendung, so Nina Kathe. «Dies könnte mit Bakteriophagen (siehe Box) gelingen, die die sRNAs zu den Ziel-Bakterien befördern, ohne dabei nützliche Bakterien oder menschliche Zellen anzugreifen.» Eine Methode, mit der man extrem schnell auf den Erwerb von neuen und die Mutation von alten Resistenzgenen reagieren könne und die deshalb das Potenzial habe, eine Alternative zu herkömmlichen Antibiotika zu werden.

Bakteriophagen

Bakteriophagen sind winzig kleine Viren, die Bakterien befallen. Dazu heften sie sich auf der Oberfläche der Bakterien an und bringen ihr Erbmaterial in die bakterielle Zelle ein. In der Zelle bedient sich das Erbmaterial des Bakteriophagen der Zellmaschinerie der befallenen Zelle und zwingt sie dazu, das Phagen-Erbgut zu vervielfältigen und diejenigen Proteine herzustellen, die für die Phagen-Hülle
benötigt werden. Ist die Vermehrung der Bakteriophagen abgeschlossen, werden die Zellwände der befallenen Bakterien entweder zerstört, um die neuen Phagen freizusetzen, oder die neuen Bakteriophagen werden von der Zellwand der Bakterien nach aussen abgeschnürt.

Die Forschung lockt

So viel zum Thema Antibiotika-resistente Bakterien. Doch wie sieht Nina Kathes sonstige Zukunft aus? Die junge Frau lacht und sagt: «Nach der Matur mache ich zuerst ein paar Tage Ferien und schlafe wieder einmal richtig aus. Vom 23. bis 30. Juli gehts an die Bio-Olympiade nach Coventry («irgendeine Medaille wäre schon nett») und anschliessend beginne ich an der Uni Zürich mit dem Studium in Biomedizin.»

Vom 22. bis 27. September reist die gebürtige Aarauerin an den European Union Contest for Young Scientists in Tallinn/Estland. Und ganz nebenbei lernt Nina Kathe Russisch und trainiert für den 2. Schwarzen Gürtel. Und wo sieht sich das Multitalent in zehn Jahren? Nina Kathe (mit Nachdruck): «Keine Frage: Natürlich in der Forschung! Ob mit oder ohne Doktor-Titel spielt keine Rolle.»