Geothermie
Immer mehr grosse Gebäude werden mit einem unterirdischen See geheizt und gekühlt

Wenn man im Sommer überschüssige Wärme im Untergrund speichert, steht sie im Winter wieder zur Verfügung. Die Technologie hat viel Potenzial und ist in der Schweiz bereits im Einsatz. Mit Sandstein statt Wasser, soll noch mehr Speicherung möglich sein.

Andrea Söldi
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Die «Klimaanlage» des Swatch-Gebäudes in Biel ist ein unterirdischer See.

Die «Klimaanlage» des Swatch-Gebäudes in Biel ist ein unterirdischer See.

Bild: Peter Klaunzer/Keystone (Biel, 5. August 2019)

Das neue Gebäude der Uhrenmarke Swatch in Biel wirkt nicht nur ästhetisch spektakulär, sondern setzt auch energetisch neue Massstäbe: Als erstes in der Schweiz nutzt es die sogenannte Aquiferspeicher-Technologie. Dabei handelt es sich um eine Geothermie, bei der ein bereits vorhandener unterirdischer See zum Heizen und Kühlen verwendet wird.

Der unterirdische See in Biel ist über neun Brunnen mit dem Gebäude verbunden. Im Winter wird das etwa 12 Grad warme Wasser heraufgepumpt, mittels Wärmepumpe fürs Heizen verwendet. Dabei wird es auf rund 5 Grad abgekühlt an einer anderen Stelle wieder dem See zurückgeführt. Somit sinkt die Temperatur in dieser Zone im Laufe der kalten Jahreszeit kontinuierlich ab.

Im Sommer dient dieses Wasser dann zur Kühlung. Weil dabei ebenfalls eine Wärmepumpe zum Einsatz kommt, dann die Wärme über einen etwas entfernteren Brunnen wieder zurück ins Grundwasser geleitet werden. In dieser Zone erreicht der unterirdische See im Laufe des Sommers wieder eine Temperatur von 12 Grad. Das System hat mittlerweile den zweiten Winter überstanden und hat gemäss Angaben der Medienstelle gut funktioniert.

Konflikt mit der Trinkwasser-Nutzung

«Die Energie wird zu grossen Teilen rezykliert», sagt Katharina Link vom Verband Geothermie Schweiz. «Das System ist nachhaltig und benötigt deutlich weniger Primärenergie als dies ohne Speicher der Fall wäre.» Wird Erdwärme nämlich längerfristig nur zum Heizen genutzt, ohne dass das Erdreich oder das Grundwasser wieder aufgewärmt wird, kühlt es sich mit der Zeit ab und es braucht immer mehr Strom, um die Heizung zu betreiben.

In der Schweiz sei die Aquiferspeicher-Technologie aber noch kaum angekommen, sagt Link. «Dabei wäre das Potenzial riesig.» Zudem sei sie sehr effizient, betont die Geologin:

«Im Untergrund verflüchtigt sich die Wärme kaum. Sie kann praktisch vollständig wiedergewonnen werden. Und es wird sehr wenig graue Energie benötigt.»

Ein Hindernis sei jedoch die aktuelle Gesetzgebung, erklärt Link: Zum Schutz des Trinkwassers ist die Erwärmung unterirdischer Gewässer um mehr als drei Grad Celsius generell verboten. Damit soll unter anderem die Vermehrung von Bakterien verhindert werden. Die Realisierung des Projekts in Biel war nur möglich, weil die Temperaturschwankungen im Mittel über das ganze Jahr hinweg betrachtet wurden. Der Verband will nun auf eine Gesetzesänderung hinarbeiten, damit Gewässer, die nicht für das Gewinnen von Trinkwasser infrage kommen, künftig energetisch besser genutzt werden können.

Der Reichstag in Berlin wird ebenso gekühlt.

Der Reichstag in Berlin wird ebenso gekühlt.

Bild: KBP

In anderen Ländern scheint man diesbezüglich weniger Ängste zu hegen. Führend in der Technologie ist Holland. Prominente Aquifer-Speichersysteme sind zudem beim Berliner Reichstag sowie am Flughafen Arlanda in Stockholm in Betrieb. Am schwedischen Flughafen wird das Wasser des unterirdischen Sees bereits seit über zehn Jahren genutzt, um im Winter den Schnee auf den Pisten zu schmelzen sowie die Ventilationsluft für die Gebäude vorzuwärmen.

Aquifer-Anlage am Flughafen in Stockholm.

Aquifer-Anlage am Flughafen in Stockholm.

Bild: malmberg.se

Flughafen Zürich sucht ebenfalls einen See

Auch der Flughafen Zürich möchte künftig auf die Technologie setzen. In einer Tiefe von 200 bis 300 Metern unter der Erdoberfläche wird ein See vermutet, der für das Heizen und Kühlen der Gebäude genutzt werden soll. Ob dies tatsächlich möglich ist, werden in nächster Zeit geologische Abklärungen zeigen.

Die Stadt Bern will künftig ebenfalls von der unterirdischen Wärmespeicherung Gebrauch machen. Der Energieversorger Energie Wasser Bern (EWB) betreibt mit der Abwärme der Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) bereits seit Längerem ein Fernwärmenetz, das vor allem die Berner Innenstadt versorgt. Dieses soll nun auf beinahe die doppelte Länge ausgebaut werden.

An kalten Wintertagen reicht die Energie jedoch häufig schon heute nicht aus. In der Energiezentrale wird dann mit Holz oder Erdgas nachgeholfen. Um den Anteil klimaschädigender Emissionen zu reduzieren, wird nun ein zusätzliches Holzheizwerk gebaut. Andererseit kann im Sommer, wenn nicht geheizt wird, die Abwärme der KVA jeweils nicht vollständig genutzt werden. Diese soll künftig in den Untergrund geleitet und im Winter wieder hervorgeholt werden.

90 Grad warmes Wasser wird zwischengespeichert

Anders als in Biel und Kloten will man in der Berner Energiezentrale Forsthaus die Energie aber nicht in einem bestehenden Gewässer speichern, sondern in einer durchlässigen Sandsteinschicht, die aus Ablagerungen von ehemaligen Flussläufen entstanden ist. Diese liegt in einer Tiefe von 200 bis 500 Metern unter der Erdoberfläche. In diese Schicht will man im Sommer bis zu 90 Grad heisses Wasser pumpen.

«Gelingt das Vorhaben, wäre es bisher weltweit einzigartig», sagt Katharina Link vom Verband Geothermie Schweiz. Der Technologieansatz sei innovativ und vielversprechend, weil er der strengen Temperaturregelung durch den Trinkwasserschutz nicht unterliegt. «Es würden sich riesige Potenziale für eine hocheffiziente Wärmespeicherung ergeben.»

Erste Erkundungsbohrungen starten voraussichtlich Anfang Juni. Erweist sich das Gelände als geeignet, könnten die Bernerinnen und Berner bereits 2025 wohlig in ihren Wohnzimmern mit Wärme aus dem Erdinneren sitzen.

Erdbeben gibt es nur bei Bohrungen in extreme Tiefen

Angesichts des Begriffs Geothermie läuten bei vielen die Alarmglocken. Nur allzu lebendig sind die Erinnerungen an die Erdbeben vor einigen Jahren in Basel und St. Gallen, die durch Bohrungen ausgelöst wurden. Doch bei diesen Projekten, die zur Stromerzeugung geplant waren, handelte es sich um sogenannte Tiefengeothermie, die bis in Tiefen von 4000 bis 5000 Metern reichten. Sie wurden mittlerweile sistiert. Die Brunnen für die Aquiferspeicher-Technologie hingegen gehen lediglich in einige hundert Meter unter die Erdoberfläche. Bei diesen Bohrungen besteht keine Erdbeben-Gefahr. Zur Geothermie zählen übrigens auch die mittlerweile verbreiteten Erdwärmesonden, die bei Einfamilienhäusern in der Regel etwa 200 Meter tief in den Boden reichen. (as)