Rund 570 Kilometer vor Afrika liegt die vielfältige Inselgruppe der Kapverden. Touristisch ist der Archipel noch recht unerforscht. Aber die Menschen in dem aufstrebenden Schwellenland beginnen, den Fremdenverkehr zunehmend für sich zu nutzen – und bieten Reisenden unvergessliche Erlebnisse: Schlafen auf der noch warmen Lava eines aktiven Vulkans.
«Der Vulkan ist unser Freund», unbegreifliche Worte, die Cecilio da spricht. Der sympathische 42-Jährige lebt in Portela, einem kleinen Dorf auf der kapverdischen Insel Fogo – am Fusse des aktiven Vulkans Pico do Fogo. Cecilios Existenz war einst unter der Lava vom «Berg des Feuers» begraben. Der 2829 Meter hohe Schichtvulkan ist am 24. November 2014 letztmals ausgebrochen. Wochenlang spie er Lava und zerstörte Cecilios Dorf und die benachbarte Gemeinde Bangaeira fast vollständig. Beide Dörfer liegen im Nationalpark Chã das Caldeiras – wie die 1700 Meter hoch gelegene Kraterebene rund um den Vulkan genannt wird.
Sämtliche 1500 Dorfbewohner mussten nach dem Ausbruch flüchten, inklusive Cecilio und seiner schwangeren Frau. Die Regierung brachte die Evakuierten nach São Filipe, die Hafenstadt im Westen der Feuerinsel – in sicherer Entfernung zum Vulkan. Viele Menschen haben es in den Evakuierungsdörfern jedoch nicht lange ausgehalten. Sie kehrten zurück und bauten auf der noch warmen Lava ihre Häuser wieder auf.
Bereits drei Monate nach dem Ausbruch und noch bevor der Ascheregen endgültig versiegte, kehrte Cecilio mit seiner Frau als einer der ersten Bewohner nach Portela zurück: «Die anderen Evakuierten hielten mich für verrückt.» Doch das konnte Cecilio, der schon sein ganzes Leben lang in Portela lebt, nicht aufhalten. Mit einer Selbstverständlichkeit, die kaum zu glauben ist, sagt Cecilio:
«Mein Herz schlägt hier. Wir haben mit dem Vulkanausbruch zwar alles verloren. Die Menschen hier blicken aber nach vorne, nicht zurück.»
In dem kleinen Ort Portela verdient Cecilio sein Geld als Wanderführer und betreibt Gästezimmer in der Nähe des Vulkans.
«Wenn wir jetzt 20 Jahre lang Ruhe vor dem Vulkan haben, dann hat sich die ganze Arbeit gelohnt.»
Die Insel Fogo erstreckt sich auf einer Fläche von 470 Quadratkilometern – ein riesiges Wanderrevier mit atemberaubenden Mondlandschaften und roher Natur. Der höchste Gipfel der Kapverden, Pico do Fogo, ist ein Muss für Wandertouristen. Der Aufstieg auf den aktiven Vulkan in 2829 Metern Höhe ist teilweise sehr steil und nur mit einem Guide möglich. Zudem setzt er eine gewisse Kondition voraus. Oben lockt eine Rundsicht über den gewaltigen Krater bis hin zum Atlantik.
Unsere Reisegruppe will jedoch nicht ganz so hoch hinaus. Über Kies, Vulkanasche und magmatisches Gestein geht es hinauf zum Pico Pequeno, dem 1920 Meter hohen Vulkan, der beim vorletzten Ausbruch 1995 entstand. Auf dem Weg dorthin erklärt Cecilio die reiche Pflanzenwelt der Insel. Die Vulkanasche am Kratergrund ist fruchtbar, die Menschen leben davon. Dort wachsen etwa Trauben, Äpfel und Quitten. Die Wanderung ist mit zwei Stunden eher kurzweilig. Das Laufen auf der Vulkanasche eher gewöhnungsbedürftig – man versinkt förmlich in der Asche und ein Schritt nach vorn fühlt sich an wie zwei Schritte zurück.
Oben angekommen, erwartet die Wanderer eine grandiose Sicht auf eine bizarre Vulkanlandschaft. Im Rücken des Pico Pequeno thront der mächtige Pico do Fogo. Vor den Wanderern erstreckt sich ein Tal mit unzähligen Strassen aus Lava, die alles zerstörte, was sich ihr in den Weg stellte. Der Blick geht direkt in den Schlund, von dem aus die Lavamassen ihren Ausgang nahmen. Aus dem Krater steigt noch immer Rauch und Schwefelgestank auf.
Einige Vertiefungen sind noch so heiss, dass sich ein Stück Papier innert weniger Sekunden entzündet.
Der Abstieg vom Vulkan ist genial – jedoch nichts für Angsthasen: Auf der Asche lässt es sich wie im Tiefschnee auf weiten Strecken herunterrutschen. Vom Pico do Fogo lassen sich 1000 Höhenmeter abwärts rutschend oder hüpfend bewältigen – vom Pico Pequeno deutlich weniger. Trotzdem: Eine staubige Angelegenheit, die wohl so schnell niemand vergisst. Wer als Wandertourist im Vulkandorf ist, sollte dort auch übernachten, da die Wege auf Fogo recht weit sind. Hier empfiehlt sich die sehr einfache, aber komfortable Unterkunft «Casa Marisa II»:
«Stell bloss nichts auf den Fussboden!», heisst es von den Betreibern bei der Ankunft.
Die Gastgeber hier sind der Deutschtürke Mustafa und seine einheimische Frau Marisa.
Doch warum nur darf man seinen Koffer nicht auf dem gefliesten Fussboden abstellen? Die Pension, welche bereits vor dem Ausbruch existierte, wurde als eines der ersten Gästehäuser auf der noch warmen Lava neu aufgebaut. Der Boden gibt bis heute noch immer so viel Wärme ab, dass Koffer, Schuhe und andere Gegenstände schmelzen, wenn sie nicht auf eine der erhöhten Ablagen gestellt werden. Auch wer nachts aufs WC muss, sollte nicht unbedingt barfuss gehen: Der Fussboden kann richtig heiss werden – Tippelschritte sind angesagt.
Aufgrund dieser natürlichen Bodenheizung schlafen die Gäste in der Casa Marisa bei offenen Türen und Fenstern in den unklimatisierten Zimmern. Die kleine Oase ist ein einmaliges Erlebnis – nicht nur wegen des klaren Sternenhimmels. Wenn es nachts einmal ordentlich kracht und poltert, als würde Geröll den Abhang herunterrollen, muss kein erneuter Ausbruch befürchtet werden: Es ist nur der Lavaboden, der unter dem eigenen Bett bebt! Eine faszinierende, aber zugleich beängstigende Erfahrung.
Die Menschen auf der Insel Fogo sind eigenwillig, stark und stolz – wie ihr Vulkan. So ist es auch nicht verwunderlich, dass auch Bewohner in ihr Dorf zurückkehren, die nicht wie Cecilio oder Mustafa und Marisa vom Tourismus auf der Insel leben. Von vielen Häusern sind einzig die Flachdächer zu erkennen, während der Rest noch in der Lavamasse steckt. Sonya erzählt:
«In dem Dorf, in das wir nach dem Ausbruch gebracht wurden, hatten wir keine Perspektiven.»
Sie lebt mit ihrem Vater und ihren zwei Söhnen im Schulalter im Nachbardorf Bangaeira und hat ihr von der Lava verschüttetes altes Zuhause nur notdürftig freigelegt. Doch bisher hat Sonya auch hier keine Arbeit. Die Familie lebt von der Hand in den Mund. Trotzdem: Wer einmal auf Fogo lebt, will dort nie wieder weg. Egal, wie oft der Vulkan noch ausbricht.
Während das Highlight auf der Insel Fogo wohl der staubige und bedrohliche Vulkan ist, entführt einen die Wanderinsel Santo Antão in ganz andere Welten. Die Insel ist nur mit einer Fähre von der Insel São Vicente aus erreichbar und gilt als grünste Insel der Kapverden. Über eine alte Passstrasse gelangt man hoch zum Cova Krater – einem inaktiven vulkanischen Krater. Dort befindet sich der Delgadim – der wohl meistfotografierte Abschnitt der Insel. Der Blick nach unten erfordert etwas Schwindelfreiheit: Dramatisch senkrecht geht es hinunter. Weiter geht es ins malerische Terrassendorf Fontainhas mit seinen farbigen Häuschen. Das Bergdorf klebt wie ein Adlerhorst am Hang – eine wahre Augenweide. Zum Schutz vor schweren tropischen Gewitterregen wurde es auf eine vorspringende Felsrippe gebaut.
Es gibt noch so viel mehr zu entdecken. Die Inselgruppe bietet etwas für jeden Geschmack. Zum Beispiel Santiago, die grösste Insel der Kapverden. Imposante Gebirgslandschaften wechseln sich hier mit Steppen ab. Im Örtchen Tarrafal locken lauschige Buchten mit karibischem Strand, in Assomada der wohl bunteste Markt der Kapverden.
Musikbegeisterte können auf der Insel São Vicente im pulsierenden Hafenstädtchen Mindelo kapverdischen Klängen lauschen und in Musiklokalen einheimische Kultur geniessen. Auf der Insel Sal locken gar kilometerlange Sandstrände. Wer jedoch nur Badeferien auf den Kapverden macht, der verpasst so einiges.
Die Reportage ist im Rahmen einer Pressereise entstanden, zu der der Zürcher Kapverden-Spezialist Amin Travel GmbH und die Fluggesellschaft TAP Portugal eingeladen hatten. www.flytap.com, www.amin-travel.ch