Forschung
Samen und Eizellen im Weltall: So soll die Menschheit überleben, wenn sie auf der Erde zugrunde geht

Läuft alles nach Plan, wird 2020 ein Satellit mit einer aussergewöhnlichen Fracht in das Weltall geschossen: An Bord befinden sich 1000 Röhrchen mit menschlichen Samen und Eizellen. Tiefgefroren und vor radioaktiver Strahlung geschützt kreisen sie fortan in einer weiten Umlaufbahn um unseren Planeten.

Raffael Schuppisser
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Zuerst Spermien und Eizellen – dann eine Geburt im Weltall. (Symbolbild)

Zuerst Spermien und Eizellen – dann eine Geburt im Weltall. (Symbolbild)

Getty Images/iStockphoto

Sollte auf der Erde eine Katastrophe unsere Spezies auslöschen, so könnte das menschliche Erbgut im Orbit einmal dafür sorgen, dass sie dennoch weiterbestünde. Ausgedacht hat sich diese Idee das niederländische Start-up SpaceLife Origin. «Es ist ein wichtiger und einzigartiger Schritt für die Zukunft der Menschheit», sagt Kees Mulder, Gründer und CEO der Biotechfirma mit Weltraumambitionen.

Genpool für die neue Menschheit

Social Freezing, also das Einfrieren von Eizellen für (Karriere-)Frauen, die ihren Kinderwunsch auf später verschieben wollen, ist ein Trend der jüngeren Zeit. Die Technologie dafür ist in Fruchtbarkeitskliniken vorhanden. Auf ihre Unterstützung und Know-how greift SpaceLife Origin zurück und weitet das Phänomen gleichsam auf die ganze Menschheit aus. Die gefrorenen Zellen sollen nicht nur die Versicherung für Frauen sein, ihrem Kinderwunsch später nachgehen zu können, sondern die Lebensversicherung unserer Spezies.

Wer möchte, dass sein Erbgut nach einem Atomkrieg, einem Meteoriten-Einschlag oder einem anderen globalen Super-GAU fortbesteht und Teil eines neuen Genpools wird, der muss tief in die Tasche greifen. Zwischen 30'000 und 125'000 Dollar will das Start-up für das Einfrieren und den Transport eines Samples in den Orbit verlangen. Kees Muller geht von mehreren Millionen potenzieller Kunden aus. Dennoch sollen aber nur drei Viertel der Röhrchen mit den Spermien und Eizellen von bezahlenden Kunden gefüllt werden. Der andere Viertel soll so bestückt werden, dass ein möglichst grosser Genpool entsteht. So soll die Menschheit 2.0 möglichst gute Start-Chancen haben.

Experten misstrauen den Plänen von SpaceLife Origin. «Ich kann zwar nichts über die Umsetzung sagen, doch schon bei der Idee bin ich skeptisch», sagt der Astrophysiker Willy Benz des Center for Space and Habitability der Universität Bern. Zweifel äussert auch Bruno Imthurn, Leiter des Kinderwunschzentrums des Unispitals Zürich. «Zwar lassen sich die Spermien und Eizellen theoretisch unlimitiert halten, wenn man sie auf minus 196 Grad gefriert», sagt der Reproduktionsmediziner, «grosse Probleme ergeben sich allerdings, wenn man daraus im All einen Menschen schaffen will.»

Wer soll die Eizellen und Spermien auftauen, wenn auf der Erde die Apokalypse eingetroffen ist? Und in welche Gebärmutter sollen sie eingepflanzt werden, wenn es keine Menschen mehr gibt? Es bräuchte eine künstliche Vorrichtung, die aus Spermien und Eizellen einen Menschen entstehen lässt. «Davon sind wir noch weit entfernt, das ist reine Science-Fiction», sagt Imthurn.

Auch Start-up Gründer Kees Mulder gibt zu: «Eine gesunde Frau müsste noch vorhanden sein, um aus dem konservierten Erbgut einen neuen Menschen zu gebären.» Doch irgendwann wird das vielleicht nicht mehr nötig sein. Daran will sich das Start-up mit weiteren Experimenten in Babyschritten herantasten.

2021 soll eine zweite Mission starten. Dann will das Start-up einen sogenannten «Weltall-Embryo-Inkubator» in den Orbit schiessen. Darin sollen Eizellen künstlich befruchtet werden. Der Plan sieht vor, die so gezeugten Embryonen nach vier Tagen wieder auf die Erde zurückzuholen, zu kontrollieren und in die Gebärmütter der Experimentteilnehmerinnen einzupflanzen. Selbst wenn das im Dienste der Wissenschaft geschehen soll, wird es spätestens hier ethisch fragwürdig.

Lebensgefährlich wird dann die dritte Mission: 2024 will das Start-up eine hochschwangere Frau in das Weltall senden, die ihr Kind im Orbit gebiert. So soll die Forschung mehr über die Fortpflanzung im All lernen. Dass es so bald so weit kommen wird, ist aber sehr unwahrscheinlich. Viel zu ambitioniert scheint der Fahrplan, unklar die Details, und Sicherheitsbedenken werden einfach ausgeklammert.

Ein Hinweis für Aliens

SpaceLife Origin wäre nicht das erste niederländische private Raumfahrtprojekt, das grandios scheitert. 2013 verkündete der Unternehmer Bas Landsdrop die Besiedelung des Mars als Reality-TV-Show. Durch den Verkauf der TV-Rechte sollten die dazu nötigen sechs Milliarden Dollar eingenommen werden. Bereits 2023 würden die ersten Menschen auf dem Roten Planeten landen, versprach er. Ein Casting für die Crew von MarsOne fand tatsächlich statt – teilgenommen haben auch einige Schweizer. Abgehoben ist das Projekt aber nie; der unrealistische Zeitplan wurde längst aufgegeben.

Gut möglich, dass SpaceLife Origin ein ähnliches Schicksal erleidet. Würde der erste Satellit mit den Spermien und Eizellen aber tatsächlich abheben, so wäre es längst nicht die erste kuriose Fracht, die in den Orbit geschossen wird. Um die Power der Falcon-Heavy-Rakete von SpaceX zu demonstrieren, hat Anfang Jahr Elon Musk seinen roten Tesla Roadster in Richtung Mars katapultiert. Und auch schon die Asche von Verstorbenen wurde ins All befördert – etwa jene des LSD-Forschers Timothy Leary.

Der Behälter mit den Spermien und Eizellen lässt sich aber eher mit den goldenen Platten vergleichen, die 1977 an Bord der beiden Voyager-Sonden unseren Planeten verliessen. Darauf ist das kulturelle Erbe der Menschheit gespeichert – Bilder und Musik, mathematische Sätze und Piktogramme. Irgendwann, so die Hoffnung, könnten Aliens sie finden und so von der intelligenten Spezies namens Mensch auf dem Planeten Erde erfahren. Sollten wir dann nicht mehr am Leben sein, so würden sie vielleicht auf die Sonde mit unserem Erbmaterial stossen – und die Menschheit wieder zum Leben erwecken.