Charakter-Unterkünfte
Ferien in der Schweiz: Edel und teuer reicht heute oft nicht mehr

Chaletromantik auf höchstem Niveau. Es gibt immer mehr Angebote im Internet mit Ferien fürs Auge, reichlich Komfort und meist auch viel Ruhe.

Alexandra Fitz
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Ferien Chalet Wohnen
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Die Decke besteht noch aus dem alten Holz des Stalls. Das Lärchenholz vereint Tradition und Moderne.
Das Cheminée ist ein Muss. Die Balken am Fenster mussten baurechtlich bleiben.
Das Bad Beton trifft Holz.

Ferien Chalet Wohnen

Olivier Gisiger

Oh nein, ihr habt gerade den Sonnenuntergang verpasst», ruft uns Jérémy zu. Wir sind erst einmal froh, haben wir Jérémy und sein kleines Bijou gefunden. Nach Veysonnaz (15 km von Sion) im Wallis müssen wir noch durch die Dörfer Clèbes und Verrey und den steilen Kurven immerzu folgen, bis die Strasse aufhört. Dann zu Fuss mit Sack und Pack 300 Meter einen steilen Schneehang hinuntertappen. Und das alles für Ferien in einem Kuhstall? Auszeit in einem Bretterverschlag von 1904?

Doch die Kühe würden schön staunen, wenn sie sähen, was aus ihrer einstigen Herberge geworden ist. Der Franzose Jérémy hat sich während seiner Zeit als Skilehrer im Walliser Wintersportort 4 Vallées so sehr in diese Region verliebt, dass er sich 2010 dieses Maiensäss kaufen musste: «C’était le coup de foudre», sagt Jérémy, Liebe auf den ersten Blick. 16 Monate lang wurde der Stall renoviert – mit einem Helikopter und seiner Schwester als Architektin. Seit 2015 ist das kleine Bergparadies – das aussen mit den dunklen, alten Holzbalken verkleidet ist und innen mit neuem Lärchenholz und modernster Einrichtung strotzt – fertig, und wir dürfen uns die ersten Gäste nennen.

Authentizität lautet das Motto

Ferienunterkünfte für den Augenkitzel

- www.urlaubsarchitektur.de Über 400 architektonische Perlen, derzeit 26 in der Schweiz, Portal macht keine Buchungen, Kontakt direkt mit Hausbesitzer, Buchtipp: Urlaubsarchitektur Selection 2017, zweisprachig Deutsch/Englisch, 248 Seiten, Fr. 48.90.

- www.magnificasa.ch Ferien im Baudenkmal, die Stiftung gehört zum Schweizer Heimatschutz. Dieser gibt das Büchlein «Die schönsten Hotels der Schweiz» heraus, 2014, zweisprachig Deutsch/Französisch, 96 Seiten, Fr. 16. www.heimatschutz.ch

- www.myswitzerland.com/alphütten neue Plattform von Schweiz Tourismus, beschreibt als Orte der Sehnsucht auch ein paar architektonische Highlights.

- www.e-domizil.ch Hier kann man nach unterschiedlichen Themen suchen, Chalets, Hütten, Schlössern etc. Schweiz Tourismus und Magnificasa arbeiten mit der Plattform zusammen.

Urlaub in aussergewöhnlichen Unterkünften boomt. Die einen zieht es in Jurten und Baumzelte, die anderen suchen das gewisse Etwas fürs Auge. Einzigartige Gebäude, Design-Einrichtung – Aufenthalt mit Charakter. Edel und teuer reicht heute oft nicht mehr – es muss auch speziell sein. Zumindest für Schweizer, die in der Schweiz Ferien machen und ohnehin genügend Geld für einen Aufenthalt ausgeben. Sie wollen die authentische Schweiz mit ihren lokalen Besonderheiten. So spezialisieren sich immer mehr Portale auf Design-Bijous und locken Gäste mit Charakter-Unterkünften. So etwa das Portal «Urlaubsarchitektur». Darauf findet man über 400 handverlesene architektonische Perlen, die noch dazu mit einer bezaubernden Lage brillieren. Darunter sind auch 26 Unterkünfte aus der Schweiz (siehe Text links).

Auch der Schweizer Heimatschutz empfiehlt in seiner Publikation «Die schönsten Hotels der Schweiz» besondere Refugien. In der aktuellen Ausgabe sind 78 charaktervolle Hotels und 13 Bed & Breakfasts aus allen Landesteilen enthalten. Was macht ein «schönes» Hotel aus?, fragt der Heimatschutz. Man suchte nach «aussergewöhnlichen Gasthäusern, die ein ganzheitliches Kulturverständnis pflegen. Dazu gehört: qualitätsvolle Architektur und Gestaltung aus allen Epochen, ein respektvoller Umgang mit historischer Bausubstanz, eine gute Einbettung in die Region, ein überzeugendes Betriebskonzept und Gastfreundschaft mit Herzblut.»

Man wolle Authentizität, auch wenn das Wort schon ein wenig abgelutscht sei, gibt Françoise Krattinger vom Schweizer Heimatschutz an. «In diesen Hotel-Empfehlungen ist Geschichte echt und keine historische Fassade oder Deko», sagt Krattinger. Ein Ort, der das alles noch intensiver vereint, ist die vom Heimatschutz gegründete Stiftung «Magnificasa» – Ferien im Baudenkmal. Das Ziel: Gefährdete Baudenkmäler übernehmen, renovieren und für eine Feriennutzung zur Verfügung stellen. Derzeit kann man aus 24 Baudenkmälern wählen, der Grossteil ist in Graubünden und im Wallis und in Privatbesitz oder von der Stiftung gekauft. Die meisten Gäste stammen aus der Schweiz (90 Prozent). Die Unterkünfte auf «Magnificasa» werden jedes Jahr beliebter. Die Buchungen steigen kontinuierlich an. Oft sind es alte Bauernhäuser, die nicht nur erhalten bleiben, sondern auch sanft renoviert werden. Dabei sind unebene und knarrende Böden gerade gewollt. Das Innenleben ist ein Mix aus alter Substanz und modernem Design. «Es geht uns um einen nachhaltigen Tourismus», sagt Krattinger. Der Trend im Tourismus sei ja Entschleunigung, Kultur und Nachhaltigkeit.

Design und Abgeschiedenheit

Das fühlen wir auch in unserem modernen Kuhstall im Wallis. Dazu trägt einerseits der Charme dieser Unterkunft bei. Im unteren Stock besticht die Schlafzimmerdecke mit den alten, originalen Holzbalken. Das Lärchenholz macht den Raum hell und warm. Das offene Bad am Kopfende des Bettes ist mit Sichtbeton klarer Kontrast. Im Wohnraum harmoniert kühles, reines Weiss mit Holz. Herzstück ist das Cheminée. Durch das abgeschrägte Fenster wärmt uns die Walliser Sonne.

Lediglich ein paar «Skitürler» stapfen an unserem Zuhause vorbei und blicken neugierig auf unser sonnenumspieltes Apéroplätzchen dicht an den warmen Holzbalken. Und so kommen wir zum zweiten, wesentlichen Pluspunkt: die Abgeschiedenheit. Hier sind nur wir und der Alpöhi, witzeln wir. Denn wenn wir nach dem Skifahren erschöpft zum Chalet kurven und die Lifte ihren Betrieb einstellen, sind wir gefangen. Aber schön gefangen.

Genau diese Abgelegenheit ist ein neuer Tourismussektor. «Werte wie Ruhe und Abgeschiedenheit gewinnen bei der touristischen Nachfrage als neuer Luxus an Bedeutung», schreiben Fabian Weber und Barbara Rosenberg-Taufer vom Institut für Tourismuswirtschaft an der Hochschule Luzern in ihrer Publikation «Touristisches Potenzial von Refugien im Alpenraum: Ruhe und Abgeschiedenheit als Tourismustrend». Diesen Trend erkennt auch Schweiz Tourismus mit ihrer Kampagne «Zurück zur Natur». Auf den Sommer 2017 sind auf der Plattform «Enjoy Alphütten» schweizweit Alphütten buchbar. Auch darunter finden sich ein paar architektonische Trouvaillen.

So eben wie jene oberhalb von Veysonnaz. Um aus dem Stall ein Liebhaberstück zu machen, hat Jérémy 450 000 Franken investiert. Weitere 50 000 für den Wasser- und Elektrizitätsanschluss. Denn mit Backofen und Spülmaschine erhält man so weit ab vom Trubel ganz schön viel Komfort. Das ist es wohl auch, was die Faszination ausmacht. Dieses rustikale Eigenbrötlerleben hoch über dem Dorf in einer abgelegenen Hütte gepaart mit Design und Komfort.

Wir stapfen den steilen Hang wieder hinauf, um zurück in die Zivilisation zu fahren. Und wissen: einen solchen Aufenthalt vergisst man nicht.