Der tschechische Künstler David Cerny provoziert die EU.
«Entropa» erregt Europa. Das Werk des tschechischen Künstlers David Cerny schmückt während der tschechischen EU-Präsidentschaft das Ratsgebäude in Brüssel. Jedem Land hat der Künstler sein persönliches Klischee zugeteilt. Er wollte herausfinden, «ob Europa über sich selbst lachen kann».
Nun lässt sich trefflich streiten, ob das Werk zum Lachen ist, einfach nur schlechter Geschmack oder schlichte Provokation. Letzteres ist es ganz sicher – zumal Cerny ganz bewusst seine Auftraggeberin, die tschechische Regierung, täuschte. Er hatte nämlich versprochen, weitere Künstler aus ganz Europa hinzuzuziehen – was er scheinbar tat. Neben jedem Puzzleteil führte er Namen und Biographie des Künstlers an – inzwischen gab Cerny aber zu, dass alles eine Fälschung sei.
Lachen kann man dennoch über Irland als Dudelsack, über Belgien als Pralinenschachtel, über Italien als grosses Fussballfeld, Luxemburg als Goldbarren und «for sale» oder Schweden als Ikea-Verpackung. Ein Lächeln ringt uns auch das Klischee der ständig streikenden Franzosen ab: Die Grande Nation zeigt das Transparent «Grève».
Die Briten können nun wählen, ob sie beleidigt sein sollen, weil ihr Land in der EU-Skulptur gar nicht auftaucht, oder ob sie sich über diese «splendid isolation» vom Kontinent freuen sollen. Weniger «amused» sind wohl die Niederländer: Holland ist eine Meereswelle, aus der Minarette hervorragen. Polen ist reduziert auf katholische Priester, die die Fahne der Homosexualität schwingen. Und das atomkraftwerkfreie Österreich ist mit Kühltürmen, die drohend wie Kanonen aus der Landschaft ragen, dargestellt. Die Deutschen sind zwar stolz darauf, dass ihr Land von Autobahnen überzogen ist. Aber haben die nicht die Form eines Hakenkreuzes? «Dreister Kunstfälscher am Werk». titelt denn auch die «Bild-Zeitung». In Deutschland siegt aber wohl die Einsicht, dass man diese Provokation besser ignorieren sollte.
Das aber wollen und können die Bulgaren nicht. Das Land, das sowieso von Europa nicht mit Streicheleinheiten verwöhnt wird, findet sich in der Brüsseler Skulptur als Hock-Klo wieder. Darüber ist Bulgariens Regierung dermassen empört, dass sie die Entfernung, wenn nicht des Gesamtwerks, so doch ihres Puzzleteils verlangt. Da hört der Humor auf, und Cerny hat erreicht, was er wollte.