Mit dem Herbst beginnt auch die Zeit der heissen Marroni. Es gibt wohl kaum ein Bahnhofsplatz, an dem einem nicht ihr feiner Duft in die Nase steigt. Und Marroni schmecken nicht nur gut, sie sind auch reich an Mineralstoffen und Vitaminen.
Bereits die Römer begannen vor rund 2000 Jahren mit der Kultivierung der Edelkastanie als wichtige Nahrungspflanze. Im Mittelalter liessen Königshäuser und Kirchenfürsten die Nussfrucht vor allem in Berggebieten anpflanzen, dort wo lange Winter herrschten und nur schlecht Getreide angebaut werden konnte. Für die ansässigen, ärmeren Bevölkerungsschichten war die Kastanie – ob geröstet, gebraten oder zu Mehl verarbeitet – oftmals das einzige Nahrungsmittel und ein wichtiger Kohlenhydratlieferant. Lange Zeit war sie ein regelrechtes Armeleuteessen.
Im 19.Jahrhundert setzte ein Rückgang der Kastanienkultur ein. Verantwortlich dafür waren einerseits durch Pilze verursachte Krankheiten wie die Tintenkrankheit oder der Kastanienrindenkrebs, andererseits setzten sich andere Lebensmittel wie die Kartoffel, Mais und Reis durch. Erst seit Mitte der 1990-Jahre erfuhr die Kastanie eine Wiederbelebung. Besonders in der italienischen Schweiz gelten die Kastanienhaine, die sogenannten Selven, seit jeher als wichtiges Kulturerbe. In den letzten 20 Jahren wurden deshalb zahlreiche Projekte zur Restaurierung von Kastanienselven eingeleitet. Doch auch hier gab es Rückschläge durch einen neu eingeführten Parasit, der via Italien eingeschleppten chinesischen Kastanien-Gallwespe. China ist übrigens weltweit der grösste Kastanien-Produzent.
In der Schweiz sind laut der Informationsplattform www.waldwissen.net heute um die 2,3 Prozent aller Waldbäume Edelkastanien. Davon gedeihen 98 Prozent auf der Alpensüdseite (Tessin, Calancatal, Misox, Puschlav und Bergell). In Castasegna, dem untersten Dorf des Bergells, befindet sich der «Brentan», der grösste Kastanienwald Europas. So verwundert es auch nicht, dass die Kastanie sowohl im Ortsnamen als auch im Wappen des Dorfes vertreten ist.
In der deutschen Sprache führen Rosskastanie, Esskastanie und Marroni oft zu Unklarheiten. Obwohl sie denselben «Nachnamen» tragen, sind Ross- und Esskastanie botanisch gesehen nicht miteinander verwandt. Die Gewöhnliche Rosskastanie wird in Europa verbreitet als Park- und Alleebaum angepflanzt. Ihre Früchte sind jedoch leicht giftig und nicht für den Verzehr geeignet.
Bei der Kultivierung der Esskastanie wiederum wurden über die Jahrhunderte verschiedene Kastanienfruchtsorten je nach Verwendungszweck und Geschmack selektioniert. Darunter auch die Marroni als besondere Edelsorte. Es handelt sich dabei also um gezüchtete Sorten der ursprünglichen Edelkastanie. Häufig werden damit einfach besonders grosse Früchte bezeichnet.
Auf Messen, Festen, Märkten und auf Plätzen vieler Städte sind Marroniverkäufer anzutreffen. Die ersten Marronibrater, für die belegt ist, dass sie auf Plätzen in der Schweiz und in anderen europäischen Ländern ihre Kastanien anboten, stammten vor allem aus dem Bleniotal und aus der Leventina im Kanton Tessin. Oft war die Kastanie das Hauptnahrungsmittel für mindestens sechs Monate im Jahr. Fast jede arme Tessiner Familie hatte ihre Bäume in der Nähe des Dorfes. Heute findet die Ernte von Mitte September bis Ende November statt. In bewirtschafteten Kastanienhainen dürfen bis zum 11.November nur die Eigentümer und Pächter die Früchte lesen. Nach diesem Datum ist das Sammeln allen erlaubt. In nicht bewirtschafteten Selven gibt es keine Einschränkungen.