Weshalb geht man klassischerweise in den «Loien »statt in den «Loi»? Unser Kolumnist Niklaus Bigler über eine Eigenart des Schweizer Dialekts.
Endlich dürfen die Wirtshäuser wieder aufmachen; aber einige werden die Krise nicht überlebt haben. Schon jetzt trifft man auf Fassaden mit einer Bierreklame und einem Namen (es aagschribnigs Huus), wo nicht mehr gewirtet wird. Dass ein Wirtshaus einen Namen braucht, war nicht immer zwingend; viele Dörfer hatten ja früher höchstens ein Lokal.
In den Städten aber gab es schon im Mittelalter Namen für die verschiedenen Gasthäuser; man übernahm einfach die Hausnamen, welche statt Hausnummern der Orientierung und Verwaltung dienten. Das «Haus zum Adler, zum Storchen, zum Hirschen, zum Widder, zum Ochsen, zum Engel, zum wilden Mann, zur Sonne, zum Sternen, zur Krone, zum Anker, zum Schlüssel» konnte so zum Wirtshausnamen werden.
Und das «zum» ist der Grund, dass wir nicht Storch, Stäärn, Ochs, Bäär, Löi oder Hirsch sagen, sondern die zweisilbige Form des Dativs. Die Bären und Löwen gehen in der Regel auf das staatliche Wappentier zurück.
In manchem Dorf stand eine Linde vor dem Wirtshaus, das ergab dann in vielen Fällen gleich den Namen. Ein Gasthaus konnte auch einfach nach seinem Inhaber heissen oder nach seiner besonderen Lage (Kreuzstrasse, Rank, Post, Bahnhof, Schifflände, Seeblick, Frohe Aussicht).
Im 19. Jahrhundert kamen patriotische Namen auf (Rütli, Tell, Winkelried, Helvetia), auch damalige Idealbegriffe (Frohsinn, Frieden, Eintracht, Harmonie). Fremdsprachige, mondän sein wollende Namen gibt es schon länger, aber mit der Zunahme südeuropäischer oder exotischer Lokale werden sie häufiger. Manchmal kann man jedoch, etwa nach einem Wirtewechsel, auch in einem «Alpenrösli» indisch essen.
Niklaus Bigler war Redaktor beim Schweizerdeutschen Wörterbuch (idiotikon.ch).