Drum prüfe, was sich ewig windet

Winden machen zwar schöne Blüten, aber sie neigen dazu, sich den Garten Untertan zu machen. Wer sie bekämpfen will, muss hartnäckig sein. Aber es kann gelingen.

Nicole Häfliger
Drucken

Meine Grossmutter hatte eine Nachbarin namens Frau Schrag und die wiederum einen Zaun, an dem sich Pflanzen mit herzförmigen Blättern und zarten, weissen Trichterblüten zu winden pflegten. Eines Tages fragte ich nach dem Namen dieser Kletterer und war erstaunt. Nicht, weil er tatsächlich «Zaunwinde» lautete, sondern ob Frau Schrags Erklärung: Die meisten Leute nämlich sähen darin nur ein Unkraut, das ausgerottet gehöre.

Die hübschen Blüten betrachtend schüttelte ich verständnislos meinen achtjährigen Kopf. Menschen, und ganz besonders Erwachsene, waren bisweilen seltsam.

Eine schöne Zaunwinde. (Bild: Getty)

Eine schöne Zaunwinde. (Bild: Getty)

Frau Schrag und mein Kopfschütteln in Ehren, aber wenn man – nebst einem Hag – auch noch Pflanzen im Garten hat, zählt die Zaunwinde (Calystegia sepium) zum unerwünschten Grün, und man tut gut daran, sich ihrer zu entledigen. Einerseits konkurriert sie mit den gewollten krautigen Pflanzen um Nährstoffe und Licht, andererseits können diese durch die Umschlingung buchstäblich erdrückt werden. Und ist sie erst einmal da, hat sie auch nicht mehr vor zu verschwinden.

Hartnäckigkeit zahlt sich aus

Durch Selbstaussaat, das unterirdisch auslaufende Wurzelwerk und die Fähigkeit, auch aus kleinsten Wurzelstückchen wieder aufzuerstehen, wird sie zuverlässig immer mehr. Das könnte einem Angst einjagen, wüsste man nicht aus Erfahrung, dass man Zaunwinden ganz gut loswerden kann. Das Einzige, was man dafür braucht, ist Sorgfalt und viel Geduld. Jedes Mal, sobald man das Grün einer Zaunwinde erspäht, sticht man sie vorsichtig aus, um möglichst viel von der Wurzel zu erwischen. Sie ist zwar recht dick, aber brüchig, man muss sie also freilegen und nur sachte daran ziehen. Doch selbst wenn man nicht alles von der Wurzel erwischt – wiederholt man das hartnäckig, dann gibt sie irgendwann auf. Garantiert.

Ackerwinde ist von einem anderen Kaliber

Bei der Ackerwinde (Convolvulus arvensis) hingegen schafft man das genauso garantiert … nicht. Hartnäckig tat ich bei ihr dasselbe wie bei der Zaunwinde. Vergeblich. Das Höchste, was ich erreichte: In den letzten 17 Jahren wurde sie zwar nicht weniger, aber dafür auch nicht mehr. Immerhin. Sie gleicht der Zaunwinde in ihrer Vermehrungsstrategie und dem Wuchsverhalten, ist aber weniger hübsch. Ihre Blätter sind schmaler, runzliger und pfeilförmig, die Trichterblüten sind deutlich kleiner, aber oft rosa angehaucht. Wie unausrottbar diese Pflanze ist, bewies sie mir, als ich nichts Böses ahnend ein massives Hochbeet auf den winzigen Austrieb einer Ackerwinde stellte, der da zufällig wuchs. Es dauerte zwölf Jahre, dann hatte sie sich bis nach oben gekämpft und hält seitdem jedem versuchten Todesstoss stand.

Am besten, man arrangiert sich

Die Ackerwinde ist nur ein Beispiel für solch unbezwingbare Gewächse, bei denen einem scheinbar nichts übrig bleibt, als zu verzweifeln, an einen epochalen Giftangriff zu denken oder in ein Haus mit anderem Garten zu ziehen. Es gäbe aber eine vierte, deutlich zielführendere Möglichkeit: Man kann sich auch einfach arrangieren. Zugegeben, es ist ein Gedanke, an den man sich erst einmal gewöhnen muss – langjährige Beziehungen beruhen meist auf gegenseitigem Wollen und weniger auf Mordgedanken. Aber es wirkt. Ich habe mich an meine Ackerwinden gewöhnt und an die Tatsache, dass sie etwa alle sechs Wochen ausgestochen werden sollten. Das dauert zusammengerechnet jeweils zehn Minuten. Allerhöchstens. Deutlich weniger als die Zeit, die ich mit Staubsaugen oder Wäschewaschen verbringe, womit ich mich letztlich ja auch arrangiert habe.