Am 1. Oktober 1968 begann in der Schweiz das Zeitalter des Farbfernsehens, erst 1977 war die Umstellung abgeschlossen.
«Ech binn ganz blau», sagte Moderator Mäni Weber zu den Zuschauern, «wo no kei Farbfärnsee hänn.» Ob der Witz angekommen ist, ist im Rückblick schwer zu sagen. Denn wir sehen es halt jetzt nur noch farbig. «Das heisst, ned ech binn blau, sondern die ganze Gulisse, wo mer do für Euses ‹Dopplet-oder-nüt› bichoo hänn.»
Es war die erste Eigenproduktion des Schweizer Fernsehens in Farbe, die Anfang Oktober 1968 in die Schweizer Wohnstuben flimmerte. «Dopplet oder nüt» war auch das Format, mit dem Hermann «Mäni» Weber zum «Mäni national», zu einer helvetischen Berühmtheit, wurde. Zum grössten Teil in Schwarz-Weiss, von 1963 bis 1970 war das Ratespiel Mänis Bühne. Mäni nutzte die neuen Möglichkeiten des Mediums und moderierte in einem «orangschen Hemmli». Dass er in totaler Dunkelheit in den Kleiderkasten gegriffen hätte, wollte er zwar nicht behaupten, aber dass er «eso eppis mi ganz Lääbe lang nie mee aagleit hann», darauf beharrte er später schon.
Tempi passati und auch ganz andere Zeiten damals. Die Schweiz war damals keine Ski- oder Segelnation, im Zentrum standen Velofahrer. Die Ex-Weltmeister Hans Knecht (Titel seiner Autobiografie: «Strasse ohne Ende») und der unverwüstliche Ferdy Kübler strampelten zu Beginn mit Mäni auf Standdrahteseln im Studio («inn Öörlicke, grad näbem Hallestadion und de offene Rennbahn») um die Wette. An Ort.
Man sieht schon: Wegen der Einführung des Farbensehens musste das Fernsehen nicht neu erfunden werden. Ganz abgesehen davon, dass nur ein ganz kleiner Teil der TV-Gemeinde die Umstellung überhaupt mitbekam. Rund 900 000 Schwarzweissgeräte standen nur rund 6000 farbtaugliche Empfänger gegenüber. Die Dinger waren teuer, zwischen 3000 und 4000 Franken kosteten die Geräte, rund drei Monatslöhne. So behielten die meisten Zuschauer noch ihren Schwarzweisskasten, der ja auch Geld gekostet hatte.
Aber der Siegeszug des Farbfernsehens ist natürlich nicht zu stoppen. Umso mehr als das Kino ja schon längst vorgegriffen hat. Der Weg war nicht leicht. Es gab einen Konflikt um den technischen Standard. Man setzte schliesslich aufs PAL-System aus Deutschland, was die Romandie in Rage brachte, weil Frankreich das SECAM-System gewählt hatte. Federführend – es ging schliesslich ums «Fernmeldewesen» – die PTT, die nach eigenem Bekunden «unbelastet von industriellen Interessen und Prestigedenken» zu ihrem Entschluss gekommen sei.
Den Ausschlag gegeben habe die Rücksicht auf die Berggebiete, weil im hügeligen Gelände das PAL-Signal besser zu übertragen sei. Die technischen Anpassungen an den Sende- und Produktionsanlagen brauchten Jahre. Lange lief der Betrieb auch zweigleisig. Zum Glück gab es die Programmzeitschriften, die pflichtschuldigst ankündeten, welche Sendungen «in Farbe» zu sehen waren. Die Industrie kam den Romands entgegen, ab 1969 sind Mehrnorm-Geräte im Handel (PAL-SECAM), die kosten aber dann noch etwas mehr.
Direktübertragungen waren sehr aufwendig, erst 1970 bekam das Schweizer Fernsehen die grossen Übertragungswagen, die dafür notwendig waren. Und vor dem Spiel musste mit einem riesigen, auf Karton aufgezogenen Testbild der Weissabgleich gemacht werden, damit der Rasen im Stadion auf dem TV-Schirm überall etwa gleich grün daherkam.
Deshalb ist es schwierig, die Pointe eines Kollegen zeitlich einzuordnen. Er berichtet, «recht bald nach der Einführung» sei das Gerät schon in der Stube gestanden. Der Vater hell begeistert, die Mutter skeptischer und erst durch die Alpenwiesen der Heimatfilme überzeugt. Der Kollege berichtet weiter, dass Vater und Onkel beim ersten, farbig übertragenen Fussball-Match vor Begeisterung so heftig an ihren Stumpen gezogen hätten, dass das Erlebnis doch eher grau-in-grau rübergekommen sei.
Überhaupt der Fussball: Man spricht immer vom «runden Leder», was der Fussball nie war. Zuerst bestand er aus vernähten Lederstreifen mit der berühmten «Naht», an der WM 1970 wurde das Modell «Telstar» offiziell, damit man ihn am TV besser sah, bestand er aus schwarzen und weissen Vielecken. Der Geometer nennt so etwas «Ikosaeder». Der Zuschauer – und die Jungkicker, die sich das Modell nicht leisten konnten, – sprachen ehrfürchtig vom «Fernsehball». Er war am Schwarzweiss-bildschirm leichter zu sehen als die Modelle, die noch daherkamen, wie es ihrem Ursprung entsprach: lederfarbig.
Die immer weitere Verbreitung des Farbfernsehens erlaubte schliesslich den mehrheitlich weissen Ball. Die Fussballverbände nahmen lange auch Rücksicht auf die Schwarzweissseher in den Stuben. Gelb gegen weiss oder blau gegen grün – undenkbar; hell gegen dunkel musste es sein.
Das Jahrhundertereignis, der erste Mensch auf dem Mond 1969, flimmerte schwarzweiss. Trug der legendäre Bruno Stanek, der uns das Ereignis erklärte, bereits seinen gelben Kittel? Auf jeden Fall wurden die Ansagerinnen farbiger. Zu Beginn noch brav uni (vergleiche das Bild) wurden die Roben farbenfreudiger. Für die Mutter einer Kollegin machte sie das zu Influencerinnen avant la lettre. Nicht zu unterschätzen allerdings die kunstvoll toupierten Frisuren.
Ein entscheidender Anlass für den Wechsel auf Farbe dürften die Olympischen Spiele von 1972 gewesen sein. Der Sport kam farbig, die Berichterstattung des Terrorangriffs auf die israelische Mannschaft hingegen weitgehend in schwarzweiss.