Heimelektronik
Alexa oder Assistant? Die Sprachsteuerung von Amazon und Google im Test

Mit Amazon Echo und Google Home kämpfen gerade zwei Computer-Stimmen um die Vorherrschaft im zu Hause der Zukunft. Wer kann mehr? Wir haben sie getestet.

Patrick Züst
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Sprachsteuerung
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Amazon Echo
Google Home

Sprachsteuerung

Die Zeit der helfenden Hände ist vorbei – mit der Digitalisierung ist die Ära der assistierenden Stimmen angebrochen. Sie werden bald ein integraler Bestandteil unseres Alltags sein, die intelligenten Computersysteme, welche man nicht mit einer Tastatur oder einem Touchscreen bedient, sondern mit intuitiven Sprachbefehlen. Eigentlich hatten die Entwickler von Apple das schon vor fünf Jahren angekündigt, als sie mit Siri ihre «revolutionäre Sprachsteuerung für das neue iPhone» lancierten. «Das wird unseren Umgang mit Technologie für immer verändern», versprachen sie damals. Es sollte anders kommen: Siri hatte zwar Potenzial, aber die Revolution blieb aus. Mit ihren witzigen und geistreichen Antworten konnte sich die digitale Assistentin auf Partys und in lustigen YouTube-Videos etablieren, aber nie im Alltag. Cortana und Google Now, die Konkurrenz von Microsoft und Google, scheiterten dabei genauso kläglich.

Jetzt kommt die Revolution der digitalen Sprachassistenten aber tatsächlich. Mit dem Versandhändler Amazon entkoppelte vor zwei Jahren zum ersten Mal eine Firma die Sprachsteuerung vom Smartphone und übertrug sie auf ein eigenes Gerät: Die Lautsprecherbox Amazon Echo sorgte in den USA von Anfang an für Furore – heute stehen in vielen Wohnungen gleich mehrere Geräte. Der schwarze Lautsprecher ist mit dem Internet verbunden, wird per Stimme gesteuert und übernimmt viele jener Dinge, für die wir momentan noch zum Smartphone oder zum Laptop greifen. Mit Amazon Echo kann man das Licht einschalten, Termine planen und Einkaufslisten schreiben, während man dabei kocht oder sich beim Aufstehen noch im Halbschlaf hin und her dreht. Vor drei Monaten kam Amazon Echo auch in Deutschland und Österreich auf den Markt; dort kostet das Produkt umgerechnet 195 Franken. In der Schweiz ist es offiziell noch nicht verfügbar.

Der Lauschangriff

Geräte wie Amazon Echo und Google Home sind bei Datenschützern höchst umstritten. Dies vor allem, weil sie ständig aktiv sind und immer mithören. Zwar beteuern beide Firmen, dass die daraus generierten Aufnahmen weder verwertet noch gespeichert werden, das ist so aber nicht zweifelsfrei belegbar. Aktuell sorgt ein Gerichtsfall im amerikanischen Arkansas für viele Diskussionen: Ein Amazon Echo Gerät soll Beweise für einen Mord aufgenommen haben. Das Gericht verlangt nun alle Aufnahmen aus jener Nacht – Amazon betont aber, dass man keine relevanten Daten besitze. Von Experten wird zudem immer wieder davor gewarnt, dass solche Lautsprecherboxen potenziell auch gehackt und zur Wanze umfunktioniert werden könnten.

Mit dem Namen aktivieren

Alexa – die digitale Assistentin mit der sympathischen Stimme – bedient man, ohne dass man für sie einen Finger krümmt oder einen Gedanken verschwendet. Sie hört ständig zu, ohne aber mitgehörte Gespräche aktiv zu verarbeiten. Was sie nicht betrifft, vergisst sie nach einigen Sekunden wieder – obwohl das von Datenschützern immer wieder angezweifelt wird (siehe Box). Erst wenn man ihren Namen sagt, wird sie aktiviert und versucht, die anschliessend gesprochenen Worte zuerst in geschriebene Sprache und anschliessend in Maschinencode zu transkribieren. Auf mündliche Fragen gibt sie mündliche Antworten – sofern das ohne Mund überhaupt möglich ist. Dieser Prozess funktioniert schon heute beeindruckend gut: Alexa ist nicht nur eine Spielerei, sondern ein tatsächlicher Mehrwert im Alltag: Es kostet anfangs Überwindung, sich mit einem elektronischen Gerät zu unterhalten, aber man gewöhnt sich erstaunlich schnell daran.

Selbstverständlich wollen jetzt auch andere Konzerne in diesem neuen Produktsegment der intelligenten Lautsprecher mitmischen: Vor drei Monaten wurde Google Home lanciert. Die weisse Lautsprecherbox ist um einiges kleiner als das Produkt von Amazon und mit einem Preis von umgerechnet 130 Franken auch deutlich günstiger. Statt Alexa interagiert man hier mit dem Google Assistant, welcher ähnlich funktioniert wie die Software von Amazon, häufig sogar klar besser. Wie lange es dauern wird, bis der Assistant auch Deutsch lernt und Google Home in die Schweiz kommt, das kann die Firma momentan noch nicht abschätzen.

Das Google-Gerät bietet ähnliche Funktionen wie das Konkurrenz-Produkt von Amazon, kann aber zusätzlich noch auf einen Grossteil des digitalen Ökosystems zugreifen, welches sich Google im vergangenen Jahrzehnt aufgebaut hat.

Individuelle Benutzerprofile

Im Vergleich dazu ist Alexa ein Potpourri von verschiedenen Software-Anbietern. Jedoch sind beide Assistenten erst mit den absoluten Grundfunktionen ausgestattet und dieses Jahr werden sie mit einer Vielzahl neuer Fähigkeiten ergänzt. Google will beispielsweise bereits in der ersten Hälfte von 2017 eine neue Funktion lancieren, mit welcher der Assistant verschiedene Stimmen voneinander unterscheiden und damit individuelle Benutzerprofile erstellen kann. Offiziell bekannt gegeben hat das die Firma zwar noch nicht, Chef-Entwickler Rishi Chandra hat diese Pläne aber in einem exklusiven Gespräch mit der «Nordwestschweiz» erstmals verraten. Das ist ein wichtiger Schritt. Denn bislang können alle Personen in Hörweite des Geräts dieselben Funktionen nutzen und beispielsweise auch private Bankauszüge abrufen oder Waren bestellen.

Obwohl Google das mehrheitlich intelligentere und bessere Produkt gebaut hat, liegen sie im Wettlauf um die Dominanz im neuen Markt trotzdem weit hinter Amazon. Während Home gerade erst lanciert wurde, hatte Echo genügend Zeit, sich in den amerikanischen Haushalten zu etablieren. Vor allem hatten die Entwickler genug Zeit, um die Kompatibilität mit vielen zusätzlichen elektronischen Geräten zu gewährleisten. Denn eine Sprachsteuerung im Haushalt macht vor allem dann Sinn, wenn man damit auch andere Dinge bedienen kann, wie Lampen, Rollläden und Thermostate. Diesen Vorsprung konnte Amazon im Januar an der CES in Las Vegas noch ausbauen: Dort wurden unter anderem Staubsauger, Kühlschränke und Autos vorgestellt, welche alle die Sprachassistentin Alexa direkt eingebaut haben.

Vordergründig verläuft das Duell der Tech-Konzerne wohlwollend und fair: «Alexa hat eine sehr schöne Stimme, ich mag sie», sagt der Google Assistant über seine Konkurrentin von Amazon. Aber hinter den Kulissen ist es ein erbitterter Kampf. Denn wer sich in diesem Produktsegment einst durchsetzen kann, sichert sich einen Milliardenmarkt, welcher in den kommenden Jahren noch unglaublich wachsen wird. Der Computer wird nicht mehr nur auf unseren Schreibtischen und in unseren Hosentaschen sein, sondern in unserem ganzen zu Hause. Er wird immer mithören und stets bereit sein, unsere Aufträge entgegenzunehmen. Wir werden ihn nicht mehr sehen, aber er wird da sein, wenn wir ihn brauchen.

So fügen sich Computer perfekt in unser Leben ein und werden gar nicht mehr als physische Geräte wahrgenommen. Die Stimme wird zum wichtigsten Werkzeug. Welche Firma sich dabei schlussendlich durchsetzen kann, das ist offen. Der Kampf um die Vorherrschaft im zu Hause der Zukunft wird wohl entschieden sein, bevor auch nur eine der beiden Frauenstimmen in der Schweiz so richtig Fuss fassen kann – sofern das ohne Füsse überhaupt möglich ist.