Expovina Weine aus Übersee Die Zürcher Weinmesse Expovina, die heute eröffnet wird, meldet ein Rekord-Angebot an Weinen aus Übersee. Jede vierte bis fünfte Flasche stammt aus Kalifornien, Südamerika, Südafrika oder Australien. Legen die Überseeweine generell wieder zu? Eine Umfrage bei Ostschweizer Gastronomen, Kellermeistern und Weinhändlern. Beda Hanimann
Als das St. Galler Weinhaus Martel vor rund vierzig Jahren Weine aus Kalifornien in sein Sortiment aufnahm, waren die Skeptiker und Spötter nicht weit. In Europa amerikanischen Wein verkaufen zu wollen, das sei ähnlich verschroben, wie in Grönland mit Kühlschränken zu hausieren. So etwa lauteten die Kommentare. Es kam dann etwas anders, wie man weiss. Die wuchtigen und alkoholreichen Weine aus der Neuen Welt kamen in Europa immer besser an. Allmählich aber kühlte die Euphorie wieder ab. Die Produzenten aus Übersee seien bei den europäischen Weinliebhabern quasi mit der Tür ins Haus gefallen und auch freudig aufgenommen worden – nach geraumer Zeit aber habe man sie wieder rausgeworfen. So formuliert es Pascal Froidevaux, der Marketingchef bei Martel.
Gründe für die erkaltende Liebe gibt es verschiedene. So empfanden ökologiebewusste Weinliebhaber die langen Transportwege stets als störende Note, bald aber gerieten die Weine aus Übersee auch unter den Generalverdacht, langweilig zu sein, keine Jahrgangsunterschiede zu offenbaren. Quasi künstlich für den schnellen Erfolg gemacht zu sein. «Das haben die Winzer in Übersee nun realisiert», sagt Froidevaux. «Die haben hervorragend reagiert und die Hausaufgaben gemacht. Sie haben gemerkt, wir müssen auch Eleganz und Balance reinbringen.»
Von einem neuen Megatrend zurück zu Überseeweinen zu reden, ist für Froidevaux indes übertrieben. «Was festzustellen ist: Es gehört nicht mehr zum guten Ton, über Überseeweine zu wettern, dazu kommt, dass die Welle der letzten Jahre mit sehr starken Italienern und Spaniern langsam abebbt.» Es komme seltener vor, dass jemand nur Überseeweine kaufe oder bewusst keine. «Der Kunde schaut auf den Preis und die Qualität, dann entscheidet er, was ihm gefällt», sagt Froidevaux.
Preis und Qualität, das sind für Reto Grubenmann die Gründe, dass bei den Überseeweinen «nach einem deutlichen Rückgang im Jahr 2003 im letzten Jahr erstmals wieder ein positiver Trend eingesetzt hat». Das Preis-Leistungsverhältnis habe sich zuletzt zugunsten der Überseeweine entwickelt. Grubenmann ist Geschäftsführer der Barossa Weinhandels AG in Scherzingen, einem Spezialisten für Weine aus der Neuen Welt. Dort hat man jüngst tatsächlich eine deutlich steigende Nachfrage festgestellt. Bestätigt wird dieser Befund durch die Schweizer Importstatistik (siehe Grafik).
Für Christoph Huser, den Kommunikationsverantwortlichen bei Barossa, hat das mit den rundum gelungenen Jahrgängen 2003 und 2005 zu tun. Auch für ihn aber gilt, dass Ländervorlieben und Präferenzen für bestimmte Regionen eine geringere Rolle spielen.
Auch für Hansueli Lanz, der im St. Galler «Jägerhof» Erfahrungen als Gastronom und Weinhändler hat, ist es augenscheinlich, dass die Amerikaner in den letzten vier bis fünf Monaten wieder angezogen haben. «Vorher verkauften wir im Restaurant kaum noch solche Weine. Sie kamen an, wenn wir sie empfahlen, aber gezielt bestellt wurden sie kaum. Das hat sich geändert.» Für Lanz hat das durchaus auch zu tun mit der derzeitigen Medienpräsenz der USA. Mit der verbreiteten Hoffnung auf einen politischen Wechsel rücke auch das Weinland USA wieder vermehrt positiv ins Bewusstsein.
Weniger eindeutig liegt die Sache für René Engler, der während gut zehn Jahren das «Engeli's» in St. Gallen führte und im Mai dieses Jahres das «Candela» eröffnete. «Weine aus Australien und den USA sind eher wieder im Kommen, aber nur die Guten und Bekannten.» Das hänge aber auch mit dem Marketing zusammen, schliesslich gehe es um die Erhaltung von Import-Kontingenten. Newcomer hätten es schwer, und von einem grossen Boom könne keine Rede sein.
Eine andere Haltung vertritt Hans Rhyner, der «Vater» des legendären Weinkellers im Rehetobler «Gupf», der auch Gastronomen im Thurgau, im Appenzellischen und in Graubünden berät. «Ich habe von der Rekordbeteiligung der Überseeweine an der Expovina gelesen und gestaunt», sagt er. Den Grund für einen Anstieg der Nachfrage sieht er am ehesten in günstigeren Preisen. «Aber für mich ist das befremdend. Alle reden von Klimawandel und Umwelt. Gleichzeitig importieren wir Weine aus der ganzen Welt. Ich weiss nicht, ob das bei den Leuten gut ankommt.»
Rhyner hat vor einigen Jahren mit dem Einkauf von Überseeweinen aufgehört, «weil wir in Europa so viele sensationelle Weingebiete haben». Bis zu einem gewissen Preislimit sind Überseeweine für ihn ausserdem langweilige Weine. «Wunderbar rund gemacht und gut, aber alle gleich. Ich spüre lieber die natürlichen Unterschiede von Jahr zu Jahr. Wein ist ein Naturprodukt, dem soll man auch Rechnung tragen.»
Reklamationen von Gästen hat Rhyner wegen seines Entscheids nicht bekommen. «Wenn ich meine Philosophie erklärte, bekam ich im Gegenteil eher zu hören: Recht haben Sie!» Dass die Expovina nun eine steigende Nachfrage von Überseeweinen meldet, mag einen weiteren Grund haben: Sowohl für Huser wie Froidevaux ist unbestritten, dass diese Weine in Agglomerationen und Städten auf mehr Interesse stossen.