In China gilt verbrannte und zu Pulver verarbeitete Elefantenhaut als Heilmittel. Deswegen werden in Myanmar, dem früheren Burma, immer häufiger asiatische Elefanten zu Opfern der traditionellen Medizin.
Der Weg zum Goldenen Felsen ist strapaziös. Zu einem der wichtigsten buddhistischen Wallfahrtsorte in Burma, kommt man nur auf unbequemen Eisenbänken auf der Ladefläche eines Lastwagens. Die Hauruckfahrt führt über Haarnadelkurven auf den tausend Meter hohen Berg bei Kyaikto im Mon-Staat. Das Heiligtum ist ein runder Fels, ein Wunderfels, auf den Gläubige unablässig kleine Goldplättchen kleben – ausschliesslich Männer übrigens.
Es ist aber auch eine spirituelle Stätte, wo man auch nach grausamen Beweisen für Elefanten-Massaker suchen kann. Der Weg führt weiter über halsbrecherisch steile Treppen rund um den Goldenen Felsen. Viele hundert Shops, dicht an dicht, säumen die Stufen. Da liegen religiöse Andenken, Verpflegung, haufenweise traditionelle Medizin. Neben allerlei Hölzern auch getrocknete Tierprodukte. Hier wird illegal auch getrocknete Elefantenhaut angeboten.
Der Shopbesitzer Shan Nyinaung schiebt einen Vorhang zur Seite und holt aus der Dunkelheit etwas, was man lieber nicht sehen würde: Kleine quadratische, etwa anderthalb Zentimeter dicke und steinhart getrocknete Elefantenhaut-Teile. 10000 Kyat pro Quadrat-Inch will er. Umgerechnet zehn Dollar für sechseinhalb Quadratzentimeter. «Nein, kein Foto», wehrt der Händler die Anfrage ab. Der Mann schöpft Verdacht.
Über den Handel mit Elefantenhaut und anderen Wildtierprodukten schrieb die burmesische Zoologin Sapai Min ihre Doktorarbeit. «Heute wird in Myanmar im Schnitt jede Woche ein Elefant wegen seiner Haut gewildert», sagt sie. Die getrocknete Elefantenhaut werde zu einem Pulver zerrieben und vermischt mit Kokosöl. Manchmal werde die Haut auch verbrannt und zu Asche verarbeitet. In der traditionellen Medizin vor allem in China werden, so die Zoologin, diese Mischungen gegen Hautkrankheiten und Magenbeschwerden angeboten. Doch auch Armbänder und andere Schmuckstücke entstehen aus der Haut gewilderter Elefanten. Hergestellt werden Elefantenhautprodukte hauptsächlich in China, aber auch in Myanmar und Laos.
Am meisten Elefantenhaut werde in Myanmar auf den Märkten entlang der Grenze zu China verkauft, sagt Sapai Min, die vor Ort verdeckt recherchierte. «Dabei stellte ich zwischen 2015 und 2017 eine Zunahme von 80 Prozent fest. Denn heute ist Haut leichter zu verkaufen als Elfenbein, bei dem es bessere Kontrollen gibt.» China ist Hauptabnehmer. Bekannt sind Verkaufsstellen in den Provinzen Yunnan, Guangdong und Fujian. Ein grosser Teil des Handels läuft online über chinesische Plattformen wie Baidu und WeChat. Zusammen erreichen sie täglich mehr als eine Milliarde Nutzer. Chinesische Pharmaunternehmen schalten sogar Werbung mit Produkten, die Bestandteile von Elefantenhaut enthalten.
Laut WWF werden in Chinas traditioneller Medizin ungefähr 750 Tierarten verwendet. Die Regierung in Peking setzte 2014 gegen das Artensterben in der Apotheke ein Zeichen: Wer gefährdete Tiere isst, muss seither mit bis zu zehn Jahren Gefängnis rechnen.
2015 wurden an der Grenze zu China tausendeinhundert Kilo Elefantenhaut beschlagnahmt. Die bisher grösste Menge.
Christy Williams ist Direktor des WWF Myanmar. Ihm macht die Jagd nach Elefantenhaut grosse Sorgen, denn Wilderer würden auf der Jagd nach Elefantenhaut einfach alles töten: Kälber, Kühe, Tiere jeden Alters. «Deswegen sind heute nicht nur männliche, stosszahntragende Bullen gefährdet, sondern die gesamte Population. Dazu kommt der rasante Waldverlust. Dieser Generalangriff kann sehr schnell zum Aussterben der Tiere führen.» Myanmar hat neben Brasilien und Indonesien die weltweit grösste Waldabholzung.
Als ob dieser Generalangriff auf Elefanten und andere geschützte Arten nicht schon genug des Unguten wäre, berichtet Sapai Min von einer weiteren Anwendung in der Volksmedizin: «Neben der Haut werden auch die schwarzen, dicken Schwanzhaare des Elefanten gehandelt. Aus denen macht man Fingerringe, die Glück bringen sollen. Verkauft zu medizinischen Zwecken werden auch Backenzähne und Füsse.»
Htun Htun Wynn, Manager des Elefanten-Resorts Green Hill Valley im Shan-Staat, ergänzt die Horrorliste: «Die äusserst sensible Spitze des Rüssels gilt als fruchtbarkeitsfördernd. Männer essen sie deshalb als Aphrodisiakum.» Dasselbe gilt für den Elefantenpenis. Und nicht zuletzt, so Htun Htun Wynn, werde auch das Fleisch des übrigen Körpers ein Ziel von Wilderern. «Geräuchert oder getrocknet wird es auch in Myanmar als Buschfleisch verkauft. Ein Elefant liefert um die 150 Kilo davon.»
Was wird in Myanmar gegen die zunehmende Elefantenwilderei unternommen? WWF-Direktor Christy Williams sagt: «Zuhanden des Parlamentes haben wir ein neues, schärferes Gesetz entworfen. Es sieht für die Wilderei geschützter Tiere bis zu zehn Jahren Gefängnis vor.» Und Richard Thomas von der Tierschutzorganisation Traffic sagt: «Gegen den Handel mit Elefantenhaut wird kaum etwas unternommen. Einmal, weil es ein neues Phänomen ist und zum andern, weil sich das illegale Tun im Grenzgebiet zwischen Myanmar und China abspielt. In Konfliktgebieten, über die der Staat keine Kontrolle hat.» In Myanmar gibt es mehr als fünfzig bewaffnete ethnische Gruppen. Und so werden auch wild lebende Tiere zu Opfern der Konflikte zwischen den Menschen.