Die feministische Konstanzerin Christine Finke kämpft für die Rechte Alleinerziehender. Angefangen hat alles im Internet.
Dass es Konstanz wurde, ist Zufall. Hier gefiel es ihr. Die Hamburgerin war ohne Stelle, der Ex-Mann konnte als Selbstständiger überall arbeiten, sie durfte wählen, wo es hingeht. Christine Finke beschloss, vor 17 Jahren an den Bodensee zu ziehen. Sie macht kein Geheimnis aus ihrem Leben, um ihre Person. Im Gegenteil: «Die Öffentlichkeit ist für mich Schutz», sagt Christine Finke.
Die Öffentlichkeit ist gleichzeitig auch grausam zu ihr. Die 52-jährige Christine Finke, seit zehn Jahren alleinerziehende Mutter von drei Kindern, wird mit Hass überschüttet. Nicht von ihren Konstanzer Nachbarn, nicht im Stadtrat, sondern im Netz. Dort, wo Finke über ihr Leben als Alleinerziehende twittert und bloggt, über die Schwierigkeiten, wenn der Ex-Mann keine Alimente zahlt, über Armut und staatliche Unterstützung. Seit 2009 schreibt Finke auf Twitter, 2011 startet sie ihren Blog, heute wird sie zu Podien, TV-Sendungen und Expertenrunden geladen.
Damals war Christine Finke die einzige, die über diese Themen schrieb. Sie war einsam, alleine mit drei kleinen Kindern, ohne Job, und das Schreiben half – «das war mein Draht zu Welt». Nicht nur ihr. Viele Frauen meldeten sich bei Finke: «Mir geht es genauso, danke, dass du die Gefühle in Worte fasst.»
Christine Finke sagt, sie habe keine Angst, über den Unterhaltskampf Alleinerziehender zu sprechen.
«Ich finde, darüber muss man reden.»
Die Gesetze seien von Männern und nicht zum Vorteil von Frauen und Kindern gemacht. In Deutschland sei noch nie ein Vater gerichtlich verurteilt worden, damit er sich um seine Kinder kümmere. In anderen Ländern werde geschiedenen Vätern, die sich nicht um die Kinder kümmern, das Sorgerecht aberkannt.
Sie erzählt freimütig, wie ihr Ex-Mann sie mit dem Tod bedrohte, keinen Unterhalt zahlt (den schiesst nun der Staat vor), Unterschriften für Anträge der Kinder auf Schulwechsel oder BAföG verweigert. «Das ist der Alltag von Tausenden Frauen: Männer müssen nichts.»
Die promovierte Sprach- und Literaturwissenschafterin verschafft Alleinerziehenden Gehör. Seit fünf Jahren auch im Konstanzer Stadtrat. Christine Finke wurde vom Jungen Forum angefragt, landete auf Listenplatz zwei – und wurde gewählt. Bis zu 20 Stunden pro Woche gehen jetzt für Politik drauf. Sie bekommt eine Aufwandsentschädigung von umgerechnet 800 Franken im Monat.
Sie sieht sich mehr als Autorin, doch die Arbeit im Stadtrat gefällt ihr. Finke, die in einer Sozialwohnung lebt, die im Stadtrat «ein bisschen die Exotin» ist, sieht es als Erfolg an, dass jetzt im Stadtrat auch mal Alleinerziehende mitbedacht werden. Es wird nicht nur über einen Familientarif im Schwimmbad diskutiert, sondern auch über einen für Alleinerziehende. Finke hofft, dass sie am Sonntag wieder den Einzug ins Stadtparlament schafft.
Auf die vielen Hassmails antwortet sie nicht. Sie blockt Hater auf Twitter, lässt sich nicht einschüchtern.
«Das sind frustrierte Maskulinisten und Antifeministen, die Angst vor Gleichberechtigung haben. Sie wollen nicht, dass Frauen ohne Männer leben. Für die bin ich eine Bedrohung.»
Sie wolle denen aber nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken. Denn sie erhält auch viel Zuspruch.