Architektur
Die Betonschalung, die zuerst gestrickt wurde

Zuerst strickte eine Maschine der ETH Zürich die Skulptur. Dann wird der Stoff nach Mexiko geflogen. Am Ende wurde daraus eine fünf Tonnen schwere Betonstruktur.

Bruno Knellwolf
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Innen gestrickt, aussen betoniert: Das Schlusswerk der Zürcher steht nun an einer Architekturausstellung in Mexiko City. ETH Zürich

Innen gestrickt, aussen betoniert: Das Schlusswerk der Zürcher steht nun an einer Architekturausstellung in Mexiko City. ETH Zürich

Eine Betonschalung hat jeder schon gesehen: Auf gelbe Schaltafeln aus Holz wird der flüssige Beton geleert, der danach zur steifen Decke oder Wand wird. Das sind in der Regel flache, geradlinige Bauteile. Der Architekt hätte den Beton aber vielleicht lieber runder, komplizierter, filigraner. Möglich macht das die digitale Fabrikation, an der an der ETH Zürich emsig geforscht wird.

Denn der Zweck der Digitalisierung ist es, das Bauen architektonisch freier zu machen. «Die Architektur erhält neue ästhetische Ausdrucksformen», erklärt Romana Rust, die vor kurzem an der ETH die «RobArch 2018» organisiert hat. Dort wurden Roboter als Baumeister gezeigt. Effizienz, Zeitgewinn und die Einsparung von Material sollen weitere Vorteile der digitalen Fabrikation sein. Ein solches Beispiel namens «KnitCandela» zeigt die ETH nun an einer Ausstellung von Zaha Hadid Architects in Mexiko City. Dort steht eine vier Meter hohe, geschwungene Betonkonstruktion. Leicht zu sehen, dass die Erstellung dieses Bauwerks eine besondere Schalung brauchte. Diese bestand einzig aus einem mit Stahlseilen gespannten Textil: ein Strickwerk.

Industrie-Strickmaschine half

Die Technologie wurde an der ETH Zürich von Mariana Popescu und Lex Reiter entwickelt. Eine industrielle Strickmaschine produzierte die Schalung ab einem digital erzeugten Strickmuster: In vier Bahnen strickte sie in 36 Stunden ein fertig geformtes 3D-Textil mit zwei Lagen. Die untere Lage bildet die sichtbare Decke. Die obere Lage enthält Tunnel für die Kabel des Schalungssystems und Taschen für herkömmliche Luftballone, welche nach dem Betonieren zu Hohlräumen werden. So wird die Konstruktion leicht und materialsparend.

Im Innenhof des Museums wurde die gestrickte Schalung, die in lediglich zwei Koffern nach Mexiko gebracht wurde, in einen Rahmen gespannt und darauf eine dünne Zementmischung gespritzt. Später wurde faserverstärkter Beton aufgebracht.

Die nur 25 Kilogramm schwere Textilschalung und 30 Kilogramm Stahlseile stützten über fünf Tonnen Beton. Bis zur Fertigstellung vergingen nur fünf Wochen. Stricken biete den Vorteil, dass 3D-Formen nicht mehr aus mehreren Teilen zusammengesetzt werden müssten. Mit dem richtigen Strickmuster könnten sie sämtliche Wölbungen, Taschen und Kanäle per Knopfdruck produzieren, erklärt Popescu.