Schlechte Ökobilanz
«Die Avocado ist keineswegs böse» – Experte räumt mit Mythen um die Teufelsfrucht auf

Zürcher Gastronomen kippen die Avocado aus dem Angebot. Grund dafür ist die schlechte Ökobilanz der Trendfrucht. Ein Experte erklärt, warum die Frucht alles andere als ein Klimasünder ist.

Helene Obrist
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Wegen ihrer ungesättigten Fettsäuren gilt die Avocado als guter Ersatz für fettreiche Produkte wie Butter oder Eier.

Wegen ihrer ungesättigten Fettsäuren gilt die Avocado als guter Ersatz für fettreiche Produkte wie Butter oder Eier.

Pixabay

Sie hat es derzeit nicht leicht. Einst als Shootingstar unter den Lebensmitteln gehandelt, ist die Avocado heute der Prügelknabe schlechthin. Mehrere Zürcher Gastrobetriebe, darunter das Hiltl, streichen die Avocado von der Menükarte, wie der Tages-Anzeiger berichtet. Grund dafür ist ihre schlechte Ökobilanz.

Doch wie umweltschädlich ist die Frucht wirklich? Ursprünglich stammt der Avocadobaum aus den bergigen Regenwäldern Zentralamerikas und Südmexikos. Bis heute gehört Mexiko zum grössten Exporteur der grünen Frucht, gefolgt von Peru. Die landwirtschaftliche Massenproduktion braucht extrem viel Platz. Aufgrund der steigenden Nachfrage werden immer mehr Urwaldflächen gerodet, meist auch illegal. Hinzu kommt der enorme Wasserbedarf der «Aguacate», wie sie auf Spanisch genannt wird. Ein Kilo der Frucht benötigt rund 1000 Liter Wasser.

Nicht einmal mehr vegan? Weil die Avocado nicht selbstbefruchtend ist, braucht es dafür Bienenvölker, die die Früchte bestäuben. Dafür werden die Insekten häufig auf Lastern von Feld zu Feld transportiert. Dabei handelt es sich technisch gesehen um Massentierhaltung.

Nicht einmal mehr vegan? Weil die Avocado nicht selbstbefruchtend ist, braucht es dafür Bienenvölker, die die Früchte bestäuben. Dafür werden die Insekten häufig auf Lastern von Feld zu Feld transportiert. Dabei handelt es sich technisch gesehen um Massentierhaltung.

AP

Dennoch beschwichtigt Manuel Klarmann, CEO des ETH-Spin-Offs Eaternity: «Die Avocado ist keineswegs ‹böse›. Sie als Klimasünder zu verschreien – das sind schon fast Fake News.» Auch die Reaktion der Zürcher Gastronomen auf die Negativschlagzeilen versteht Klarmann nicht. «Das wirkt auf mich eher wie eine PR-Aktion.»

Er muss es wissen. Der Jungunternehmer berechnet für Unternehmen und Gastrobetriebe die Umweltbilanz von einzelnen Lebensmitteln. Er misst unteranderem den CO2-Gehalt, den Wasserverbrauch und die Kalorienanzahl von Früchten, Gemüsen oder Fleisch.

Die Avocado müsse viel differenzierter betrachtet werden, so der 34-Jährige. «Sie ist eine Kalorienbombe. Da ist es gerechtfertigt, wenn sie auf einen etwas höheren CO2-Gehalt kommt als andere Früchte.» Pro Kilogramm Avocado, die aus Mexiko mit dem Schiff transportiert werden, werden laut Klarmann 1030 Gramm CO2 ausgestossen. Bei der Tomate, rechnet Klarmann vor, sei der CO2-Gehalt zwar geringer (550 Gramm mit Transport), «jedoch enthält sie kaum Kalorien oder Fett – im Gegensatz zur Avocado.»

Klarmann nennt ein weiteres Beispiel: «Frischkäse aus der Schweiz kommt schon auf 3240 Gramm CO2 pro Kilogramm». Eine dreimal schlechtere Klimabilanz als die Avocado. Ein Fakt, der aufhorchen lässt.

«Lebensmittel, die von weit weg kommen, sind nicht per se schlechter als regionale Produkte», führt Klarmann weiter aus. Das Transportmittel spiele dabei eine enorm wichtige Rolle. «Wenn Avocados von Spanien eingeflogen werden, ist das für die Ökobilanz viel schlechter, als wenn sie von Mexiko her mit dem Schiff kommen.» Darauf müssten Gastrobetriebe besonders achten, wenn sie ihre Avocado-Bilanz verbessern wollen.

Rolf Hiltl, Inhaber und Geschäftsführer der gleichnamigen vegetarischen und veganen Restaurants, ist sich bewusst, dass die Avocado nur ein kleiner Teil der Ökobilanz seines Unternehmens ausmacht. Als «reine PR-Aktion» sieht er das Streichen der Avocado aus dem Sortiment jedoch nicht. «Gemäss unserem Leitbild wollen nicht nur Mensch und Tier Sorge tragen, sondern auch der Umwelt. Und irgendwo muss man ja beginnen», erklärt Hiltl. Natürlich seien auch sie nicht perfekt. «Wir möchten mit dieser Aktion aber ein Zeichen setzen.»