Der Topfgucker

Jost Auf der Maur Der gebürtige St. Galler Journalist hat ein wunderbares Büchlein über die Liebe und das Essen geschrieben. Ein Gespräch beim Risotto. Beda Hanimann

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Das Geheimnis der Nonna ist gelüftet: Jost Auf der Maur mit Risotto Breno. (Bild: Tonia Bergamin)

Das Geheimnis der Nonna ist gelüftet: Jost Auf der Maur mit Risotto Breno. (Bild: Tonia Bergamin)

Es riecht nach angedünsteten Schalotten, in einem grossen Topf simmert seit dem Morgen eine Hühnerbrühe, und auf der Ablage neben dem Herd stehen Schälchen mit Reis, Knoblauch, Parmesan, Butter, Safran, Curry. Jost Auf der Maur – helle Hose und weisses Hemd zu beigem Gilet, sehr elegant, dazu eine strahlend weisse Küchenschürze, am Bauch gebunden wie beim Profi – hantiert gekonnt am Herd, schon das Zuschauen ist eine Freude. «Ich koche den Risotto Breno», hatte er gesagt am Telefon, als es um einen Gesprächstermin ging.

Der Risotto Breno birgt ein Geheimnis und findet sich in seinem eben erschienenen Büchlein «Geschmack der Liebe», das zwölf Rezepte enthält und zwölf Liebesgeschichten. Oder umgekehrt. «Sich gemeinsam und genussvoll etwas einzuverleiben, das ist ein sinnlicher und erotischer Moment», sagt Auf der Maur. Aber davon später.

Affinität zum Essen

Jost Auf der Maur ist nicht Koch, sondern Journalist, seit über drei Jahrzehnten.

Doch diese Tätigkeit, vorab die Jahre als Leiter des Gesellschaftsressorts der «NZZ am Sonntag», führte ihn immer wieder zu Kochtöpfen und in Profiküchen. Seine Affinität zum Essen aber ist älter, so alt wie er selbst. Er habe sich schon als Kind wohl gefühlt in der Küche: «Wenn ich heimkam, ging ich als erstes in die Küche, ich war ein Topfgucker, wollte wissen, was es gab, ich half auch der Mutter beim Kochen», erinnert er sich. Eine gute Köchin sei sie gewesen.

Auf der Maur, das ist ein alteingesessenes Schwyzer Geschlecht, reich geworden im Kriegs- und Söldnerwesen. Nach dem Entstehen des Bundesstaates aber geriet die Branche allmählich in eine Sackgasse. So kam Auf der Maurs Grossvater nach St. Gallen, in der aufstrebenden Stadt sah er als Architekt gute Zukunftschancen. Auch der Vater wurde Architekt und betrieb ein eigenes Büro im Walhalla-Gebäude.

Heimweh nach St. Gallen

In diese Familie hinein wurde Jost Auf der Maur 1953 geboren. Er wuchs im Riethüsli-Quartier auf, als Jugendlicher zog er via Kollegium Schwyz weg. Das Heimweh nach seiner Vaterstadt aber verfolgt ihn bis heute. Im Lauf des Gesprächs klingt phasenweise der St. Galler Dialekt nach, plötzlich braucht er Worte wie «hondert» oder «före» – und sagt doch von sich, er sei punkto Dialekt «ein interkantonaler Nobody». Er würde wahnsinnig gern St.

Galler Mundart reden, sagt er und gesteht: «Wenn jemand diesen Dialekt spricht, dann hat er bei mir die ersten drei Minuten einen Bonus wie niemand sonst.» Zum FC hegt er eine unglückliche Liebe, wie er sagt, doch er meint den FC von einst, der als B-Ligist auch schon mal das damals übergrosse GC aus dem Cup warf.

Exotische Schweiz

Auf der Maur wundert sich über das geringe Selbstbewusstsein seiner Vaterstadt.

«Das ist die Wiege der deutschen Sprache! Dieser Stiftsbezirk, absolut wunderbar – und die Stadt hat für ihre Grösse eine tolle Beizenlandschaft, das ist mir auch wichtig.» Auf der Maur ist vertraut mit regionalen Gegebenheiten, nicht nur in St. Gallen, auch in Schwyz, der Heimat seiner Vorfahren, denen während Jahrzehnten die idyllische Insel Schwanau im Lauerzersee gehörte.

Das Flair für Regionalität prägt auch Auf der Maurs journalistische Tätigkeit. «Er schrieb», resümierte der «Klein Report» anlässlich seines Wechsels zur «Schweizer Familie» vor gut einem Jahr, «über die Einstellung des Landessenders Beromünster, über die Bären im Bündnerland und Kühe im Schlachthaus sowie über Fussballclubs. Gemeinsamer Nenner seiner Reportagen ist die Schweiz.» Auf der Maur selbst sagt: «Die Schweiz war mir immer exotisch genug.»

Neugier und Scheuheit

Als rasender Reporter sah er sich dabei nie. «Ich sitze lieber an einem Ort und lasse die Geschichte auf mich zukommen. Die Neugier ist meine Triebfeder, aber eine gewisse Scheuheit will mich daran hindern, auf die Leute zuzugehen», sagt er mit entwaffnender Offenheit. Als Journalist aber könne er sich quasi selber den Auftrag dazu geben. «Hätte ich das nicht, ich wäre wohl in einer introvertierten Ecke gelandet. Der Beruf hält mich am Leben – explizit auch im übertragenen Sinn.»

Zum Journalismus war er in den 70er-Jahren über eine Stage beim «Badener Tagblatt» gekommen – anstelle eines Studiums, das er verworfen hatte, um als Aushilfsbriefträger einer Angebeteten die Lehrerinnenausbildung ermöglichen zu helfen. Er arbeitete bei der «Basler Zeitung», bei der «Weltwoche», beim «Facts», bei der «NZZ am Sonntag» und seit Sommer 2009 bei der «Schweizer Familie». Immer wieder neu starten, das entspreche ihm, sagt er, es habe sich eine Art Sieben-Jahres-Rhythmus ergeben, weil er nie ganz ruhig geworden sei an einer Stelle.

«Überall hielt mich etwas an, Veränderungen am Blatt oder bei mir vorzunehmen. Ich habe mich dann jeweils auf mich konzentriert.»

Diese Unruhe, aber auch die Neugier waren es auch, die seine Frauenbeziehungen prägten. «Was mir nicht bekannt war, wollte ich unbedingt wissen. Sehr unbekannt waren mir die Frauen», sagt er lakonisch. Wie sich das änderte, zeigen die zwölf Geschichten seines literarischen Erstlings.

Es sind selbsterlebte Liebesgeschichten des mittlerweile in Chur wohnhaften und glücklich Verheirateten, zu jeder Geschichte gehört ein Rezept.

Essen verbindet

Denn Auf der Maur hatte festgestellt, dass er nicht mit teurer Yacht und Wind in den Haaren Eindruck machen konnte, sondern dass ihm vorab beim gemeinsamen Essen möglich war, einer Frau zu sagen, sie gefalle ihm. «Wenn jemand am genussvollen Essen die gleiche Freude hat, dann stimmt es.

» Von Schüchternheit ist da nicht mehr viel zu spüren, doch Auf der Maur sieht sich nicht in der Rolle des Frauenhelden. «Wenn es Helden gibt in diesen Geschichten, dann sind es die Frauen», sagt er.

Das Geheimnis des Risotto Breno, übrigens, ist dieses: Sherry, trockener Sherry, verrät Antonella auf Seite 14. Und löscht das Licht.