Energiewende
Ist Atomstrom nachhaltig? Sind Gaskraftwerke besser als AKWs? Zwei Fragen an Klimatologen und einen Politiker

Im Kampf gegen die Erderwärmung setzt die EU auf Atomkraft. Die einzige Kernenergie-Professorin der Schweiz, Annalisa Manera von der ETH Zürich, teilt diese Meinung. Was sagen Klimaforscher und ein Grünen-Politiker dazu?

Bruno Knellwolf
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1. Die Europäische Kommission stuft die Kernenergie als nachhaltige Investition ein. Ist das bezogen auf den Klimawandel, sprich den CO2-Ausstoss richtig?

Reto Knutti, Professor an der ETH Zürich:

Reto Knutti

Reto Knutti

1. Kernenergie verursacht praktisch null CO2-Ausstoss, das ist korrekt. Nachhaltig ist sie deswegen nicht. Die Wahrscheinlichkeit für einen Zwischenfall ist zwar klein, aber der Schaden ist potenziell katastrophal und die Schäden würde weitgehend der Steuerzahler tragen, soweit man das überhaupt mit Geld aufwiegen kann.

Kernenergie generiert auch ein Zwischen- und Endlagerproblem, das ungelöst ist. Die andere Seite ist, ob neue Kernkraftwerke ein wirkungsvolles und kosteneffizientes Mittel sind, um die Energiewende zu schaffen. Aus meiner Sicht sind sie es nicht, aber es gibt auch eine Minderheit, die das anders sieht. Ich denke, dass man die bestehenden KKW in der Schweiz weiterbetreiben kann, solange sie sicher sind.

Bastien Girod, Nationalrat der Grünen:

Bastien Girod

Bastien Girod

1. Nein, ich denke, es ist kontraproduktiv für den Klimaschutz, wenn Optionen unterstützt werden, die nicht nachhaltig sind und so unwirtschaftlich.

Fortunat Joos, Professor an der Universität Bern

1. Bezogen auf den CO2-Ausstoss ist diese Einschätzung vertretbar. Allerdings bleibt die Frage der radioaktiven Abfälle und der sehr hohen Finanzierungskosten ungelöst.

2. Der Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung kommt nicht wie gewünscht voran. Aus Angst vor allfälligen Stromlücken wird über den Bau von Gaskraftwerken nachgedacht. Ein Gaskraftwerk hat deutlich den schlechteren CO2-Fussabdruck als ein Kernkraftwerk. Lassen sich Gaskraftwerke generell und gegenüber AKW rechtfertigen?

Reto Knutti, Professor an der ETH Zürich:

2. Gas könnte mögliche Lücken schliessen, ist aber aus Klimasicht keine Option, ausser man würde das CO2 auffangen und seques­trieren. Gase wäre auch sonst schon teuer, wenn solche Anlagen dann nur über sehr kurze Zeiten laufen, um Lücken in Fotovoltaik und Wind zu füllen.

Bastien Girod, Nationalrat der Grünen:

2. Das stimmt nicht. 2021 gab es global einen neuen Rekord im Zubau von erneuerbaren Energien. Und mit politischer Unterstützung, Engagement von Bevölkerung und Unternehmen und dank technischer Entwicklung ist eine weitere Beschleunigung möglich. Es braucht deshalb keine Gaskraft. Höchstens verbunden mit einer CO2-Abscheidung und erneuerbarem Gas.

Fortunat Joos, Professor an der Universität Bern

Fortunat Joos

Fortunat Joos

2. Der CO2-Ausstoss aus der Verbrennung von fossilen Energieträgern, also Kohle, Erdöl und Gas, ist die weitaus wichtigste Ursache der globalen Klimaerhitzung. Der Bau neuer Gaskraftwerke sollte nur gestattet werden, wenn die CO2-Emissionen vollständig aus der Abluft abgeschieden und sicher in den Untergrund eingelagert werden.

Mit dem Bau neuer Gaskraftwerke ohne CO2-Abscheidung wird eine klimaschädliche Infrastruktur geschaffen, welche die Klimaerhitzung weiter antreibt und den Zielen das Abkommens von Paris diametral zuwider läuft. Es gilt, den Ausbau der erneuerbaren Energien nun weiter voranzutreiben.