Wanderungen Bündner Täler In den beiden Alpentälern Safiental und Val Lumnezia zeigt sich auch der Spätherbst von seiner schönsten Seite.
Der Name «Lumnezia» stammt von den alten Lepontiern, die das Tal in der vorchristlichen Eisenzeit besiedelten. Das Safiental hingegen wurde von den Walsern bevölkert. Die Safier verstehen sich als äusserst selbständig und unabhängig, manchmal ein wenig eckig und kantig, aber immer weltoffen und gastfreundlich. So ist auch mein Eindruck, als ich mit dem Auto die dreissig Kilometer lange Holperstrasse entlang tuckere und von einer Einheimischen mit einem freundlichen Winken begrüsst werde. Kennt die mich? –, fährt mir durch den Kopf, doch erst beim nächsten Gruss wird mir diese Geste als Eigenart bewusst und von der Safierin Maria Hunger-Fry im Gespräch wenig später bestätigt.
Tatsache ist, dass die rund tausend Safier sehr an ihrem etwas eigenartigen Tal hängen, aber auch gerne einen Blick über die (Landes-)Grenzen wagen. Das Safiental gilt als Ausflugstip par excellence: Für Individualisten, die das Spezielle unter dem Besonderen suchen, und für Extremsportler, die auf der Suche nach dem ultimativen Adrenalinkick sind, ist das unscheinbare Tal ein Paradies. Beim Eisklettern am Gletscherbach und beim Riverrafting in der Rheinschlucht ist Nervenkitzel garantiert.
Wer es ruhiger mag, erholt sich beim Lama-Trekking oder beim Schlafen im Stroh, und geübte Wanderer nehmen die «Via Capricorn» in Angriff. Diese macht ihrem Namen alle Ehre, denn wer aufmerksam durch die Berglandschaft schweift, kann mit einem Feldstecher und etwas Geduld einen Blick auf die Steinböcke erhaschen.
Wer mehr über das Leben und Arbeiten der Safier und ihren Vorfahren wissen will, besichtigt das Safier Heimatmuseum. Kulturell interessierte Besucher können auch Theatervorführungen oder Konzerten in Safien beiwohnen oder das Geheimnis der Meerjungfrau von Valendas aufspüren – dort befindet sich Europas grösster Holzbrunnen, einer von dreizehn öffentlichen Brunnen.
Ein typisches Merkmal sind Streusiedlungen: Verstreut liegende Wohnhäuser, Ställe, Heuscheunen und Alphütten prägen die Ansicht des Tals. Es gibt keine Maiensässe, denn die Walser waren bekannt für ihre Einzelsennereien. Sie besassen eine Hütte zum Käsen, ein «Stupli» zum Wohnen und einen Stall fürs Vieh. Das Projekt «Safier Ställe» schafft Sicherheit für die Erhaltung der bestehenden Gebäude und Bedenkzeit für die Suche nach neuen Nutzungen, um Tradition und Fortschritt gerecht zu werden.
Im benachbarten Val Lumnezia besteht eine gesunde Mischung aus Tradition und Fortschritt; Zeuge dafür ist die «stiva da morts», die Totenstube in Vrin, die vom bekannten Architekten Gion A. Caminada 2002 erbaut wurde und landesweit Aufsehen erregte. Dort wird, wie anno dazumal, Abschied genommen auf eine sanfte und angenehme Art. Ein weiterer schöner Zeitzeuge sind die Vriner Turmglocken, die seit eh und je um fünf Uhr früh den Tagesanbruch ankündigen.
Das «Tal des Lichts» lädt mit seinen schroffen Bergflanken und den tiefen Schluchten vor allem zur Erholung und Entdeckung ein. Herzlich fällt der Gästeempfang im 382 Quadratkilometer grossen Nord-Süd-Tal aus, dem grössten in der bündnerischen Surselva. Untereinander sprechen die Einheimischen ausschliesslich Rätoromanisch.
Unverfälschte Erlebnisse in der Natur, etwa die Gratwanderung vom Piz Mundaun zum Piz Sezner oder die Touren bei Vollmond und Sonnenaufgang, sind bei Wanderern sehr beliebt. Der See Davos Munts gilt als Ruhe-Oase und Ausflugsort für alle Altersklassen, gerade im Herbst. Das Val Lumnezia ist auch ein Biker-Mekka; auf 84 Kilometern können die Rennradfahrer ihrem Lieblingssport frönen. Für weniger Geübte stehen Elektrobikes bereit. Einige Biketouren und Wanderungen werden zudem mit kulinarischen Höhenflügen kombiniert, damit auch der Genuss nicht zu kurz kommt.