Schizophrenie ist bis anhin unheilbar: Doch Basler Forscher konnten Schizophrenie-Mäuse nun vollständig heilen. Funktioniert die Methode auch beim Menschen?
Schizophrenie ist eine schwere psychische Erkrankung. Etwa jeder Hundertste ist davon betroffen. Die Patienten leiden an Wahn und Halluzinationen, an desorganisiertem Denken und haben eine gestörte Motorik. Sie leben mit falschen Überzeugungen, haben Probleme mit sozialen Beziehungen und sie sind emotional abgestumpft. Auffallend ist, dass die Symptome zum ersten Mal am Übergang zwischen später Jugend und jungem Erwachsenenalter auftreten. Bei Männern in der Regel zwischen 18 und 25 Jahren und bei Frauen zwischen 25 und 35 Jahren.
Die Ursachen der Schizophrenie sind vielschichtig. Zum einen tragen Umweltfaktoren dazu bei. Das können Probleme bei der Geburt, Stress und psychosoziale Faktoren sein. Ein weiterer Faktor kann auch der Cannabiskonsum im jugendlichen Alter sein. Auch erbliche Belastungen sind im Spiel. Der genetische Anteil an dieser psychischen Erkrankung liegt bei etwa 50 Prozent. Bei den genetischen Faktoren handelt es sich meist um Mutationen in einer grossen Anzahl von Genen, die jeweils einen kleinen Beitrag zur Erkrankung leisten.
Die Erkrankung hat also komplexe genetische Komponenten. Um die Ursachen dieser Krankheit zu erforschen, konzentrieren sich die Forscher deshalb auf einfachere «genetische Modelle». Dies können Menschen oder Tiere mit genau definierten Mutationen sein, bei denen das Risiko für die Entstehung stark erhöht ist. Bei Menschen ist das Risiko, an Schizophrenie zu erkranken, stark erhöht, wenn sie vom 22Q11DS-Syndrom betroffen sind. Dieses Syndrom wird durch eine Chromosomenmutation in einem Segment des Chromosoms 22 verursacht. Menschen mit diesem Syndrom haben ein zwanzig- bis dreissigfach erhöhtes Risiko, an Schizophrenie zu erkranken.
«Das Verfahren könnte den Ausbruch verhindern.»
Deswegen haben Forscher des Friedrich-Miescher-Instituts um Pico Caroni Mäuse mit einer solchen Chromosomenmutation entwickelt, um sie als Schizophrenie-Modell in der Laborforschung einzusetzen. Dabei wiesen die Forscher nach, dass wie beim Menschen auch bei Mäusen die Schizophrenie zwischen der späten Jugend und jungem Erwachsenenalter erstmals auftritt. Und auch die Mäuse zeigten tiefgreifende Fehlfunktionen im Gehirn bei einer bestimmten Art von Neuronen, den Parvalbumin-Neuronen, (PV-Neuronen). Diese spielen wegen ihrer schnellen Signalaktivität eine wichtige Rolle bei der Netzwerksynchronisierung im Gehirn. Bei Schizophrenen führen Fehlfunktionen im Gehirn zu Defiziten bei dieser Netzwerksynchronisation.
Diese Defizite konnten im Laborversuch bei den Mäusen mit Antipsychotika vorübergehend unterdrückt werden. Die Forscher fanden auch heraus, dass diese PV-Neuronen bereits im Hippocampus jugendlicher Schizophrenie-Mäuse vorhanden waren, obwohl sich diese PV-Neuronen erst im Erwachsenenalter im Gehirn ausbreiten.
Caroni überprüfte, ob die Fehlfunktionen des Hippocampus in der für Schizophrene kritischen Phase nach der Jugend die korrekte Hirnreifung bei Schizophrenie-Mäusen beeinträchtigt. Und, ob sie den Ausbruch von Schizophrenie verhindern können, indem sie die Netzwerkfehlfunktionen während des kritischsten Zeitfensters unterdrücken. Und zwar lange genug, um trotz Erbbelastung den Übergang zur normalen Gehirnfunktion eines Erwachsenen zu ermöglichen. Das ist den Forschern um Caroni gelungen. Sie wiesen nach, dass wiederholte Behandlungen während sechs bis zehn Tagen mit gängigen Antipsychotika oder mit spezifischen genetischen Aktivatoren eine vollständige Heilung ergaben. Und zwar von Netzwerkfehlfunktionen wie auch von kognitiven Defiziten der Schizophrenie-Mäuse. Dafür mussten die Medikamente oder die Aktivatoren beim ersten Auftreten der Schizophrenie am Übergang zwischen später Jugend und Erwachsenenalter eingesetzt werden.
«Die Studie zeigt, dass es möglich ist, das Fortschreiten von Schizophrenie durch eine Behandlung im kritischen Zeitfenster zu verhindern», sagt Caroni, Professor für Neurobiologie an der Universität Basel. Doch wie sicher ist das Mausmodell auf den Menschen übertragbar? «Das kann niemand sagen.» Aber das Mausmodell lasse sich mit hoher Genauigkeit auf Patienten mit dem 22Q11DS-Syndrom reproduzieren. «Trotzdem muss man diesen Prozess noch testen, bevor man eine Voraussage über den möglichen Erfolg machen kann. Bei einem Erfolg könnte unser Verfahren den Ausbruch von Schizophrenie bei Risiko-Patienten verhindern», sagt Caroni.