Die Stadt Winterthur muss sparen. Deswegen wird in der Villa Flora, wo Bonnard und Vallotton ein und aus gingen, die vorerst letzte Ausstellung zu sehen sein.
Ein Besuch in der Villa Flora ist wie eine Zeitreise. Fast ehrfürchtig betritt man den ehemaligen privaten Wohnsitz der Familie Hahnloser-Bühler in Winterthur, wo sich seit rund hundert Jahren nur wenig verändert hat. Der Hocker, der auf dem Gemälde Félix Vallottons mit den beiden Kindern des Ehepaars Hedy und Arthur Hahnloser zu sehen ist, steht immer noch dort. Nur ist dessen Samtbezug mittlerweile abgewetzt und die moosgrüne Farbe verblasst. Kuratorin Angelika Affentranger-Kirchrath bringt den Zauber dieses Ortes auf den Punkt: «Die Villa Flora ist etwas Stilles in einer sehr lauten Zeit.»
Hedy und Arthur Hahnloser-Bühler haben zwischen 1907 und 1930 mit viel Gespür eine Sammlung mit Schweizer und französischer Gegenwartskunst aufgebaut. Schwerpunkt bildet der Nachimpressionismus. Künstler wie Pierre Bonnard, Félix Vallotton oder Henry-Charles Manguin gingen in der Villa Flora ein und aus. Seit 1995 ist die Sammlung für die Öffentlichkeit zugänglich. Die Kunst, das bürgerliche Interieur der Jahrhundertwende, die Architektur und der hübsche Garten bilden ein einmaliges Gesamtkunstwerk.
Die Öffentlichkeit wird nur noch bis Ende April Gelegenheit haben, sich daran zu erfreuen. Danach wird die Villa Flora für unbestimmte Zeit geschlossen. Denn die Stadt Winterthur, welche das Museum bis Ende 2013 mit jährlich 250 000 Franken subventioniert hat, muss sparen. Ein Fusionsprojekt mit dem Kunstverein Winterthur wurde sistiert und der Subventionsvertrag nicht verlängert. Bewegung in die Angelegenheit kommt erst, wenn die Finanzen saniert sind und ein neues Kulturleitbild verabschiedet würde. Wann diese Bedingungen erfüllt sein werden, steht in den Sternen.
Ein vorerst letztes Mal kann man die Meisterwerke aus der Sammlung unter dem Titel «Bonnard, van Gogh, Vallotton – Angehaltene Zeit» besichtigen. Welch passender Ausstellungstitel, sowohl für die Situation des Museums als auch für die Kunst, die dort zu sehen ist. So war Bonnard überzeugt, dass ein Kunstwerk angehaltene Zeit, «un arrêt du temps», sei. Er ist vertreten mit Schlüsselwerken wie «Effet de glace ou Le tub» oder «Les faunes». Cézannes «Plaine provençale», van Goghs «Le semeur» oder Vallottons «La Blanche et la Noire» gehören ebenfalls zu den Glanzstücken der Sammlung. Im Oberlichtsaal gesellen sich dazu noch Werke Ferdinand Hodlers.
Keinesfalls aber ist der Ausstellungstitel so zu deuten, dass in der Villa Flora die Zeit völlig stehengeblieben ist. Dafür haben die Erben in weiser Voraussicht gesorgt. Sie formulierten den Stiftungszweck so offen, dass auch Wechselausstellungen möglich sind und mit zeitgenössischer Kunst Akzente gesetzt werden können. Dies geschah auch bei der aktuellen Ausstellung. In Judith Alberts Videoarbeit «Nu à l'écharpe orange» räkelt sich die Künstlerin in Odalisken-Pose auf der Chaiselongue mit einem scheinbar lebendigen Kraken im Schoss. Inspiration dafür war ein Gemälde Vallottons. Weitere Arbeiten stammen von Mario Sala und Ursula Palla.
Die Zeit bis zur hoffentlich baldigen Wiedereröffnung lässt man indes nicht ungenutzt verstreichen. Die Sammlung geht auf Wanderschaft und wird zuerst in der Kunsthalle Hamburg und dann im Pariser Musée Marmottan Monet zu sehen sein.
Bis 27.4.14. Petition zum Erhalt der Villa Flora unter: www.villaflora.ch