Zum Dirigenten geboren

Sein grosses Vorbild war Anton Bruckner, seine Leidenschaft galt der Kirchenmusik. Am letzten Sonntag ist Roland Bruggmann gestorben, der lange Jahre den Domchor geleitet hat.

Josef Osterwalder
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Roland Bruggmann, 2. März 1933 – 18. Juli 2010. (Bild: pd)

Roland Bruggmann, 2. März 1933 – 18. Juli 2010. (Bild: pd)

Nach St. Gallen hatte Roland Bruggmann die Empfehlung von Igor Markevic begleitet: «Ich halte diesen jungen Dirigenten für ein Talent voller Zukunft.» Bruggmann hatte sich für die Nachfolge von Johannes Fuchs beworben; ein mutiger Entscheid, galt Fuchs doch als Meister der gewaltigen Chorwerke von der Romantik bis zur Neuzeit.

Roland Bruggmann hat dieses Erbe auf kreative Weise weiterentwickelt; erfolgreich, weil er in der Kirchenmusik nicht den eigenen Erfolg suchte. Er fühlte sich Bach verbunden, der seine Werke mit dem Satz unterschrieb «zur grösseren Ehre Gottes».

Musik, die nicht den Applaus im Konzertsaal sucht, sondern in den Klang der Glocken mündet, das war Roland Bruggmanns Welt.

In Bruckners Fussstapfen

Daher auch die Begeisterung für Anton Bruckner, dessen Werke er immer wieder aufführte. Gerne erzählte er seinem Chor, wie Bruckner als Kind armer Leute ins Stift St. Florian aufgenommen wurde, die Musik und in dieser sich selbst entdeckte. Genau so hat auch Roland Bruggmann seine Jahre in der Stiftsschule Einsiedeln erlebt.

In den barocken, musikdurchwehten Räumen entwickelte er seine eigene musikalische Leidenschaft, gefördert von begeisternden Lehrern wie Roman Bannwart, Baptist Bolliger, Oswald Jäggi und dem Hindemith-Schüler Daniel Meier. Damals gründete er sein eigenes Schülerorchester, in welchem als einziger Pater Roman Bannwart auf der Bassgeige mitmachen durfte.

Bei Kubelik und Markevic

Alois Riklin, der gleichzeitig in Einsiedeln die Stiftsschule besuchte, erinnert sich, wie sehr Roland Bruggmann von der Musik gepackt war, bewährt auch als Sänger und Organist. So war der Weg an die Konservatorien von Zürich und Basel vorgezeichnet. Er lernte beim Schönberg-Schüler Erich Schmid, besuchte Meisterkurse bei Raffael Kubelik und Igor Markevic.

Im Zürcher Kammerchor lernte Bruggmann erstmals Johannes Fuchs kennen, noch ohne zu wissen, dass er bald einmal zu dessen Nachfolger als Domkapellmeister gewählt würde.

Zug zur geistlichen Musik

Bei der breiten, gründlichen Ausbildung wäre Roland Bruggmann eine Dirigentenlaufbahn offengestanden. Doch früh schon entschied er sich gegen den weltlichen Konzertbetrieb und für die Kirchenmusik.

Gleichwohl überzeugt, dass diese die gleichen musikalischen Grundfertigkeiten braucht wie die profane Musik. In St. Gallen stand Roland Bruggmann vor der schwierigen Aufgabe, die grosse Tradition der Orchestermessen mit den Anforderungen einer erneuerten Liturgie in Einklang zu bringen; eine Liturgie, die die Gläubigen aktiv mitbeteiligen wollte. Bruggmann hat auch in diesem Bereich, zusammen mit zeitgenössischen Komponisten, kreative Lösungen gefunden.

Macht der Musik

Nebst dem Domchor leitete er auch den Kammerchor Wil, die Diözesane Kirchenmusikschule, das HSG-Orchester und das Forum «Contrapunkt» – Aufgaben, in denen die ganze Breite seines musikalischen Interesses zur Geltung kam.

Nach dem Rücktritt vom Domchor dirigierte Roland Bruggmann noch bis 2005 den Kammerchor Wil. Dann machten ihm gesundheitliche Probleme zu schaffen; eine Zeit begann, in der ihn die Musik nur noch innerlich begleiten konnte. Alois Riklin gegenüber sagte er einmal: «Musik kann den Menschen helfen, ihr Leben zu verändern.

» Sie hilft auch, die Zeit des Leidens zu bestehen.