Zuhören, wie Menschen denken

Im Theater Parfin de siècle hatte am Freitag das Zweipersonenstück «Der Mann des Zufalls» von Yasmina Reza Premiere. Aus einer Standardsituation entsteht ein schillerndes Kaleidoskop menschlichen Seins.

Beda Hanimann
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Arnim Halter und Regine Weingart: Wechselweises Monologisieren im Zug. (Bild: Urs Bucher)

Arnim Halter und Regine Weingart: Wechselweises Monologisieren im Zug. (Bild: Urs Bucher)

«Ein bekannter Schriftsteller sitzt im Zug einer Unbekannten gegenüber, die sein Buch liest. Hübsches Thema für eine Novelle.» So sinniert Paul Parsky. Statt der Novelle ist daraus allerdings ein Theaterstück geworden, genau diese Konstellation liegt dem Stück «Der Mann des Zufalls» von Yasmina Reza zugrunde. Die Standardsituation also: Eine Bühne, zwei Figuren treffen aufeinander, tauschen sich aus, so entsteht Sinn, Inhalt – Theater eben. In Rezas Zweipersonenstück ist es genau nicht so, das ist der Clou.

Das Leben fährt mit

Es ist ein neckischer Einfall, wie Arnim Halter (Paul Parsky) und Regine Weingart (Martha) eingangs zu den eingespielten Zugdurchsagen und Eisenbahngeräuschen mit ihren Körpern das Rütteln im Zug andeuten. Mit dem sichtbaren Fahren des Zuges nimmt auch die Theatermaschine aus Gedanken, Erinnerungen und Phantasien Bewegung auf. In der Abgeschiedenheit des Zugabteils fährt das ganze Leben der zwei Figuren mit (auch ohne Handykontakt nach draussen, das Stück ist vor zwanzig Jahren entstanden). Der Clou wie gesagt: Mit der Abfahrt beginnt nicht der erwartbare Dialog. Die Figuren sitzen isoliert in ihrer Welt nebeneinander, wechselweise monologisieren sie, rekapitulieren sie ihre Beziehungen, ihre Lebensrealitäten und -fiktionen, stellen sie Spekulationen über den Sitznachbarn an. Das ist grossartig. Es ist, als könnte man Menschen beim Denken zuhören.

Raffinierte Monologmontagen

Im heimeligen Rahmen des Ateliertheaters flackert bei den ersten Lachern die Gefahr auf, dass hier zwei Kollegen vor ihren Freunden Theater spielen, wie im Dorftheater. Aber Halter und Weingart sind Profis genug, dass diese falsche Nähe bald keine Rolle mehr spielt. Der raffinierte Wechsel von direkt gesprochenen und eingespielten Monologen macht den Gedankenraum weit. So wird «Der Mann des Zufalls» zu einem schillernden Kaleidoskop menschlichen Seins.

Nächste Vorstellungen: Mi, 22.1., und Fr, 24.1., je 20 Uhr; zehn weitere Abende im Februar und März; Karten: www.parfindesiecle.ch oder 071 245 21 10