Walter Andreas Müller ist Parodist, Radiomensch, Schauspieler, Globis Stimme. Und ein wunderbarer Gesprächspartner, bar jeglicher Allüren. Er sei ein «Chrampfer», sagt Müller über sich. Aktuell probt er für die Schlossfestspiele Hagenwil.
«Nie würde ich eine 1.-August-Rede halten!» Eine klare Aussage, zwei Tage nachdem die hehren Reden verklungen sind. Nicht weil WAM (alle nennen Walter Andreas Müller so) nicht auch politisch denkt – er möchte nur nicht in ein Fettnäpfchen treten, weil er doch so oft unsere Bundesräte parodiert hat. «Ich halte Figur und Person konsequent auseinander.»
Heuer parodiert er niemanden, heuer spielt er in einer schwarzen Komödie auf Schloss Hagenwil den rechtschaffenen Bürger Lenglumé, der – alle Indizien deuten darauf hin – mit seinem alten Schulfreund im Suff eine Frau ermordet hat.
«Eine fatale, eine tragische Geschichte», sagt Müller trocken zur Komödie, die Eugène Labuche 1857 geschrieben hat. Dem Franzosen gehe es nicht um den Mord an der jungen Kohlenschlepperin, er wolle zeigen, wie sich Menschen verhalten.
«‹Die Affäre Rue de Lourcine› ist nicht komödiantisch zu spielen, sondern todernst – dann freut sich das Publikum. Die Komik stellt sich durch die Tragik ein.»
Hat das Stück denn eine Moral für den Schauspieler? Er zögert: «Es braucht manchmal Glück und auch Verstand – es war ja nur ein Versehen.» Natürlich mag er die Pointe, die Auflösung des Stücks nicht verraten, das kommenden Mittwoch Premiere feiert.
Er hat mit Florian Rexer am Theater St.Gallen zusammengearbeitet; als Rexer die Schlossfestspiele Hagenwil gründete, holte er Müller als künstlerischen Patron – und 2012 erstmals auf die Bühne in Molières «Eingebildetem Kranken».
Müller hatte Lust, wieder auf dem Schloss aufzutreten, und er freut sich, Hans-Rudolf Spühler wie bei Molière neben sich zu haben. Spühler spielt Lenglumés angeblichen Schulfreund Mistingue – und war mit Müller an der Schauspielschule. «Früher sind wir einige Male zusammen aufgetreten, aber nie am Theater St.Gallen, als Hansruedi zum Ensemble gehörte.»
Die alte Freundschaft verbindet. «Ich weiss genau, wie er reagiert, wir spüren einander sehr gut.» Walter Andreas Müller hat das Gegenteil selten erlebt, dass die Chemie nicht stimmt, dass der andere Konkurrent ist. «Auf Hagenwil sind wir eine verschworene Bande.»
Aber er kennt auch dies:
«Nach der letzten Vorstellung sind alle so traurig, versprechen einander, sich unbedingt wiederzusehen und sich zu melden. Dann ist es immer wieder wie ein Vulkan, der verlöscht.»
Macht ihn das traurig? «Schon, aber man braucht neue Leute um sich, neue Impulse.» In seinem Beruf sei es schwierig, Freundschaften zu pflegen, auch die Beziehung könne leiden. «Theaterleute brauchen viel Verständnis.»
Walter Andreas Müller ist ein vielseitiger Mann: «Traumpaar», «Fascht e Familie», «Lüthi & Blanc»; «Classe politique» und «Zweierleier» mit Birgit Steinegger, «Globi». «Ich habe fast alles gemacht, was es gab, alles hat mich fasziniert.» Warum? «Es hat sich so ergeben, ich habe viel Glück gehabt. Ich bin ein Chrampfer. Und ich bin enorm neugierig.»
Keine Spur von Altersmüdigkeit, dabei ist er 73. Angst vor dem Alter? «Sie wäre ein schlechter Begleiter.» Angst vor dem Aufhören? «Ich mache einfach weiter.» Früher habe er sich nicht getraut, lange wegzufahren, jetzt nimmt er sich mehr Zeit für Ferien. «Ich liebe Städte, New York oder Nizza, besuche sie immer wieder – ich bin ein Wiederholungstäter.»
Das berührendste Erlebnis? «In Bielefeld musste ich einen taubstummen Jungen spielen. Kein gesprochenes Wort! Ein schauspielerischer Tiefschlag! Doch ich erinnerte mich an einen taubstummen Freund, mit dem ich mich sehr gut verstand. Da ist mir ein Licht aufgegangen: Ich musste der Figur Präsenz, Ausstrahlung einverleiben. Die Rolle wurde ein grosser Erfolg.»
"Die Affäre Rue de Lourcine", Premiere am Mi, 8.8. 18 (ausverkauft); Vorstellungen bis 8.9.2018. Informationen unter schlossfestspiele-hagenwil.ch