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Kultur
Scooter haben ein neues Album veröffentlicht. Es ist bereits das 20. der Band und klingt eigentlich wie immer. Ravemüde seien sie trotzdem noch lange nicht.
«Hyper, Hyper», «How Much Is The Fish», «Endless Summer»: Scooter haben Hits für die Grossraumdiscos mit fiebrigen Lasershows geschaffen. Auch auf ihrem 20. Album bleiben sie ihrem Guten-Laune-Rave treu. H. P. Baxxter spricht im Interview über die Systemrelevanz ihrer Musik und den richtigen Moment, um Scooter zu hören.
Im letzten Jahr habt ihr «FCK 2020» veröffentlicht, damit vielen aus der Seele gesprochen und einen Hit gelandet. Habt ihr die 2021-Variante schon in Vorbereitung?
Letztes Jahr dachte man ja, alles sei vorbei, aber jetzt zeigt sich leider, dass 2021 noch schlimmer wird, insofern haben wir tatsächlich schon über einen Remix nachgedacht.
Und wie optimistisch seid ihr, dass es die Version nicht braucht?
In Deutschland sind die ersten Sommerfestivals ja schon wieder abgesagt. Wir haben aber noch Termine für 2021 stehen und hoffen sehr, dass wir in einigen Ländern im Spätsommer doch noch Shows spielen dürfen. Ich halte das nicht für ausgeschlossen. Von daher bin ich doch zuversichtlich, dass es keine «Fuck 2021» Version braucht.
Euer Album heisst «God Save the Rave». Ist der Rave nach einem solchen Jahr überhaupt noch zu retten?
Ja, wir sind optimistisch, der Rave wird auf jeden Fall weitergehen. Man kann zwar noch nicht genau sagen wann, vielleicht Ende 2021, aber sicherlich nächstes Jahr, wenn unsere grosse Tour startet.
Oder etwas ketzerisch gefragt: Muss man ihn überhaupt noch retten? Ist er da «systemrelevant» genug?
Kultur ist auf jeden Fall systemrelevant. Wenn wir nur auf die elementaren Bedürfnisse wie Essen, Trinken, Schlafen reduziert würden, wären wir mit einem Sprung wieder ganz schnell bei den Neandertalern.
Alles an dieser Musik klingt nach grosser Halle und duftet leicht nach Schweiss. Scooter machen Musik zum Rumhüpfen. Damm-Damm-Dumm-Beats mit «Oh-Oh-Oh»-Refrains. Alles in fröhlich-überdrehter Stimmung, Tempo hoch, Finessen selten. Scooter klingen auch auf ihrem 20. Album noch gleich. Greller Jahrmarkt-Techno mit hochgeschraubten Stimmen und mit geschrienen Phrasen wie «We don’t give a penny/Fuck 2020!» Plump? Ganz sicher. Aber halt auch irgendwie so schön plump, dass man dazu komplett unbeschwert rumhüpfen kann. Kopf aus. «Hyper, Hyper». Zurück in die grossen Hallen. Mit Feuereffekten, Lasershows und viel zu grossen Boxen. In einer Zeit, in der vieles fehlt, ist ein Schuss Scooter nicht verkehrt. Allerdings: Ohne die Halle und den Schweiss ist Scooter nur in begrenzten Dosen erträglich. (mg)
Eure Musik braucht die Masse, braucht die Lautstärke, braucht den Club oder die Halle. Funktionieren Scooter ohne alle diese Zutaten?
Nein, definitiv nicht, wir brauchen Wumms! Allerdings haben wir vor ein paar Jahren auch mal eine Platte rausgebracht, auf der all unsere Klassiker von der Pianistin Olga Scheps arrangiert und eingespielt wurden. Da konnte ich Scooter auch mal besinnlich erleben, das fand ich sehr gelungen und höre das immer noch gerne zur Entspannung.
Hand aufs Herz: Werden Scooter daheim auf den Anlagen gehört? Zu welchem Anlass legt man Scooter auf: Zu einem Filet mit Rotwein eher nicht, oder?
Eigentlich nicht, aber gerade in den jetzigen Krisenzeiten, wenn man in einer sehr kleinen Gruppe zu Hause sitzt, das Essen hinter sich gelassen hat und vielleicht schon ein oder zwei Gläser Rotwein getrunken hat, drehen wir immer mal auf und hören laut Scooter.
Es ist euer 20. Album. Wird man da mal etwas ravemüde?
Nein, ganz im Gegenteil, gerade nach diesem Jahr bin ich eigentlich sogar «ravemunter» und hoffe, dass es endlich wieder weitergeht.
Anders gefragt: Was unternehmt ihr gegen einschleichende Routine?
Bei einschleichender Routine muss man immer selbstkritisch genug sein, um dem entgegenzuwirken. Das ist das Gute an einer Band, es kommt garantiert immer von irgendeiner Seite ein Kommentar, wenn man Gefahr läuft in eine Routine reinzurutschen. Das Korrektiv sitzt quasi immer neben einem.
Für die elektronische Musik war 2020 besonders schwierig, da die Interaktion mit dem Publikum grösstenteils fehlte. Könnt ihr im Studio Musik machen und wisst: Das wird ein Knaller?
Meistens ist es so, dass wir bei einigen Titeln schon im Studio rumspringen, weil wir wissen, das wird was, da kann man sich schon vorstellen, wie diese Nummer live abgeht. Das zeichnet sich schon während der Produktion ab, welche Nummern später live gespielt werden und vor Publikum funktionieren.
Sie sind kürzlich 57 Jahre alt geworden. Wie überzeugt sind Sie von Ihrem mittlerweile legendären Ausruf «Always Hardcore» noch? Eher bestärkt im fortschreitenden Alter oder doch erste leise Zweifel?
Also bis jetzt gilt noch «Always Hardcore!» Für mich ist noch kein Ende in Sicht, es gibt weder leise noch laute Zweifel. (Lacht.)
Wenn Gott den Rave gesavt hat, Corona weggeimpft ist und alles wieder normal ist: Wie feiert ihr da?
Dann stehen wir schneller auf der Bühne, als man gucken kann.
Scooter: God Save the Rave (Kontor/Phonag) Live: 13. März 2022, Hallenstadion Zürich