Die Kellerbühne St.Gallen zeigt eine wilde Odyssee nach dem Tod

Matthias Peter verkörpert im packenden Ein-Mann-Stück «Traum eines lächerlichen Menschen» von Dostojewski einen zutiefst einsamen Mann. Dieser erschiesst sich im Traum – und findet sich im Paradies wieder.

Melissa Müller
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Matthias Peter findet im Paradies die Liebe. (Bild: Hanspeter Schiess)

Matthias Peter findet im Paradies die Liebe. (Bild: Hanspeter Schiess)

Der Revolver liegt bereit. Eigentlich will der namenlose Erzähler des Theaterabends in der St. Galler Kellerbühne damit auf seine rechte Schläfe zielen. Dann aber schiesst er sich ins Herz. Und schon sind wir mittendrin: Im «Traum eines lächerlichen Menschen». Genauer gesagt, im Albtraum. Dostojewski schrieb diese faszinierende Erzählung, in der es auch um den Widerstreit von Kopf und Herz geht, im Jahr 1877. Sie wirkt immer noch erstaunlich frisch – und wird von Schauspieler Matthias Peter souverän und präzis vorgetragen.

Der Protagonist erwartet nach dem Tod ein «völliges Nichtssein» – doch dann ergreift ihn ein dunkles Wesen, das ihn in den Weltraum entführt. Peter dreht in dieser Szene einfach den Stuhl um und fliegt damit durch die Dunkelheit des Alls – in die Helligkeit eines anderen Planeten. Dort wird er von schönen Menschen empfangen, die ihn küssen. Was er noch nicht ahnt: Er wird diesen paradiesischen Geschöpfen die Unschuld rauben, sie korrumpieren und ihnen die Sünde bringen.

Ein kleines Mädchen im Regen braucht Hilfe

Matthias Peter erlebt unter der Regie von Daniel Pfister ein Wechselbad der Gefühle. Dostojewski skizziert das Ausgeschlossensein von anderen Menschen schmerzlich radikal. «Ich bin ein lächerlicher Mensch», stellt sich der Erzähler vor. Der Mann, der sich wie eine Null fühlt, haust in einem ärmlichen Dachstock. Ein trüber Novemberabend unterstreicht seine Einsamkeit, ein «kalter, hässlicher Regen, der feindselig gegen die Menschen war». Da kommt auf der Strasse ein weinendes Mädchen auf ihn zu, das seine Hilfe benötigt. Er lässt es stehen. Weil er denkt, dass er sich sowieso gleich das Leben nehmen wird und dann alles egal ist.

Allzu sympathisch ist dieser Mensch nicht. Und doch ist es ein Genuss, seinem inneren Monolog zu lauschen, der philosophische Fragen nach Gefühl und Intellekt, Sündenfall und der Natur des Menschen aufwirft. Es scheint, als sei dieser Text Matthias Peter in Fleisch und Blut übergegangen. Elegant und prägnant trägt er ihn vor, sodass man mit ihm mitfiebert. Nach der Premiere am Mittwoch nahmen sich einige vor, wieder einmal einen Roman von Dostojewski zu lesen.

Kellerbühne, St. Gallen, 2., 3., 14., 16. und 17. 11., je 20 Uhr, am 4.11. um 17 Uhr