Südpol Luzern
Festival-Perfomance «Alkohol» oder: Wenn ein geliebter Mensch zu oft zur Flasche greift

Beim interdisziplinären Südpol-Festivals «Eyes On» präsentiert Nina Langensand ein intimes Stück über Alkoholkrankheit.

Stefan Welzel Jetzt kommentieren
Drucken

Was man mit Sicherheit sagen kann nach rund einer Stunde in der mittleren Halle des Luzerner Südpols: Das Stück «Alkohol» von Nina Langensand und Fabienne Ehrler steht repräsentativ für den interdisziplinären Charakter des Eyes On Festivals. Zweieinhalb Wochen lang bilden die unterschiedlichsten Acts ein breites Panoptikum an Kulturschaffen. Musik, Theater, Performance und bildende Kunst – die Genres sind reich an der Zahl.

Nina Langensand in Aktion im Südpol Luzern.

Nina Langensand in Aktion im Südpol Luzern.

Bild: Claudia Schildknecht

Wenn man zum Beispiel jenen Donnerstagabend nebst dem Besuch von «Alkohol» in dem Kulturzentrum verbracht hatte, konnte man sich davor ein Bild der Arbeit des jungen, hauseigenen Bühnenensembles YES machen oder ein Jazzkonzert im Clubraum anhören gehen.

In den Grauzonen wandelnd

Das Publikum scheint diese breite Palette zu überzeugen. Der Südpol war gut besucht. Langensand zeigte mit Ehrler eine «Arbeit über das Leben mit Alkohol» und damit einen «Abend als Experimentierfeld, als Suchbewegung», wie dem Programmheft zu entnehmen ist. Was man darunter zu verstehen hatte, war nicht ganz klar. Schauspielerin Langensand wandelt gern in den Grauzonen zwischen Performance und Theaterstück, kombiniert Nähe und Konversation in Richtung Publikum mit gesellschaftsrelevanten Themen und durchzieht die Inszenierung auch mit abstrakten Mitteln. «Alkohol» ist ein typisches Beispiel dafür. Langensand behandelt darin das Thema Alkoholkrankheit im engen Familienumfeld. Konkret: Der Mutter, die zuhause mal heimlich, mal weniger heimlich zur Flasche greift und dergestalt das Leben der Kinder nachhaltig prägt.

Das Stück beginnt mit einer Tanzchoreografie.

Das Stück beginnt mit einer Tanzchoreografie.

Bild: Claudia Schildknecht

Es beginnt mit einer Tanzchoreografie zum 60er-Jahre-Countryhit «I Never Promised You a Rose Garden». Genau jenes Versprechen eines sorgenfreien Familienidylls hat sich in Langensands Kindheitsbiografie nicht eingestellt. Das Bemerkenswerte: «Alkohol» erzählt aus dem realen Leben der Protagonistin. Und noch spezieller: Neben Langensand und Ehrler stehen zwei weitere Frauen auf der Bühne. Eine davon ist Langensands Mutter, die sich selbst spielt. Das ist mutig und verdient Respekt. In der Folge wechseln sich Langensands Monologe über ihre Erfahrungen und Ängste mit weiteren Tanzeinlagen oder Videoeinspielungen ab. Später zitiert die Mutter aus dem Buch einer alkoholkranken Schriftstellerin und liest dabei vom «Masshalten als akrobatische Verrenkung» vor.

Wie ein Gespräch unter Freunden

Was funktioniert: Das Stück spricht jeden und jede im Publikum an als wäre es ein Gespräch unter Freunden. Derart gefühlvoll nimmt uns Langensand mit auf die Reise. Allgemeine sozialrelevante Themen durch den sehr persönlichen Blickwinkel, hier sogar mit der eigenen privaten Geschichte, auf die Bühne zu bringen, ist immer gewagt. Doch das tut der Dringlichkeit des Stoffes keinen Abbruch. Bühnenkunst soll berühren, provozieren, nachdenklich machen, für ein Thema sensibilisieren. Das gelingt an diesem Abend, selbst wenn wir den Schauspielenden etwas arg nahe kommen, vielleicht sogar etwas zu nahe.

«Alkohol»: heute und morgen Samstag, 20.00. Mehr zum Festival unter www.sudpol.ch

0 Kommentare