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Kultur
In den letzten Monaten hat das Künstlerduo Bildstein | Glatz das Sommeratelier Weinfelden als Druckwerkstatt genutzt. Heute Samstag ist die letzte Gelegenheit, Einblick in ihre Arbeit zu erhalten.
Die Mission ist klar: «We exist to make art better!» Auf dem Plakat, das zum Auszugsfest ins Sommeratelier Weinfelden einlädt, haben Philippe Glatz und Matthias Bildstein das hochtrabende Statement dem muskelbepackten Comic-Helden Captain America in den Mund gelegt. Das Fest heute Nachmittag ist die letzte Möglichkeit, Einblick ins Sommeratelier zu erhalten. Dort war das Künstlerduo seit April unter dem Projekttitel «Supergelb» tätig.
Bis zum Dienstagabend wurde intensiv gearbeitet, die Farbe auf manchen Drucken ist noch nass. Das Künstlerduo, das für seine Grossskulpturen wie den Loop vor der Kartause Ittingen bekannt ist, konzentrierte sich im Sommeratelier für einmal aufs kleine Format. Im aus dem 18. Jahrhundert stammenden Gebäude hat es eine Druckwerkstatt eingerichtet.
Um ihrem ambitionierten Motto gerecht zu werden, experimentierten die Künstler in den letzten Monaten intensiv mit verschiedenen Hoch- und Tiefdruckverfahren: Moosgummi kam dabei ebenso zum Einsatz wie Linol- und Holzschnitt oder Offsetdruckplatten. Mit dem Drucken kennen sich die beiden Künstler aus: Philippe Glatz hat ursprünglich eine Lehre als Offsetdrucker gemacht und Matthias Bildstein Grafikdesign studiert. In den drei Stockwerken des Sommerateliers präsentieren sie eine Auswahl an Werken. Der temporäre Arbeitsort, der von der Gemeinde Weinfelden Kunstschaffenden für Projekte zur Verfügung gestellt wird, war Bildstein | Glatz hochwillkommen. Denn in der Schweiz verfügen die beiden momentan über kein Atelier. Sie arbeiten meist getrennt voneinander, denn Philippe Glatz lebt in Kreuzlingen, Matthias Bildstein in Wien. «Wir pflegen jedoch einen intensiven Austausch», sagt Philippe Glatz, der durch die Ausstellung führt.
Bildstein | Glatz interessieren sich für alles, was grosse Buben glücklich macht: Extremsport, schnittige Flitzer, aerodynamisches Design. Der Drang zur Selbstoptimierung, Leistungsdruck auch in der Freizeit, Stereotypen der Männlichkeit sind Themen, die in der Kunst der beiden Enddreissiger aufscheinen. Bei ihren Druckexperimenten setzten sich Bildstein | Glatz vertieft mit Karbon auseinander. Der kohlenfaserverstärkte Kunststoff wird wegen seiner hohen Steifigkeit und seines geringen Gewichts für Flugzeuge, Rennskis oder Velorahmen verwendet. Das Material mit der maskulinen Optik wird auch im Autotuning eingesetzt. Die gewebeartige Struktur des Karbons taucht in vielen der ausgestellten Drucke auf. Häufig ist der Screenshot eines Fundstücks aus dem Internet Ausgangspunkt für eine Serie. Dasselbe Motiv wird mehrfach gedruckt. Farbablagerungen auf den Druckplatten bewirken interessante Verfremdungen, ebenso «Fehler» beim Druck. «Es geht darum, den Zufall zu lenken und die Fehler bewusst zu steuern», sagt Glatz.
Eine Serie zeigt von einem Energydrink-Hersteller gesponserte Extremskifahrer, die einem Helikopter entsteigen. Wohl um danach möglichst fotogen unberührte Steilhänge herunterzuflitzen. Solch heroische Inszenierungen beeindrucken Philippe Glatz, auch wenn ihm problematische Aspekte wie die Umweltbelastung und der hohe Zuckergehalt des Getränks bewusst sind. Ebenso kann er sich für das Design eines Lamborghinis oder eines Sportschuhs begeistern. Glatz, der selbst Marathon läuft, steht zu seiner Faszination: «Werke, in welchen der Künstler mit erhobenem Zeigefinger daherkommt, finde ich problematisch.»
Auszugsfest heute Samstag, 27.10.18, 14.45–19 Uhr; 15.15 Uhr Begrüssung und Einführung. www.sommeratelier.ch