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Beni Bischof sammelt Texte wie ein Besessener. Sein neues Buch überfordert – und das muss so sein, findet der Rheintaler Künstler.
«ICH ESSE JETZT IMMER CHEDDAR VORM EINSCHLAFEN.» So sieht ein typischer Eintrag in Beni Bischofs viertem «Texte»-Band aus. 1024 Seiten umfasst das neue Künstlerbuch des Rheintalers, voller Texte aller Art: Schlagzeilen, Zitate, Produktbeschreibungen, Wikipedia-Einträge, Youtube-Kommentare, Fragen, Listen, Rezepte und mehr.
«Texte 4» ist ein einziges Zuviel. Es überbordet und ufert aus, ist Reizüberflutung in Buchform und packt den Infomüll, der täglich auf uns einprasselt, in ein sechs (!) Zentimeter dickes Taschenbuch.
«Sind Teigwaren Teigwaren / weil sie mal Teig waren?» Für Beni Bischof ist das neue Buch kein Zuviel, sondern eine wohlüberlegte Auswahl. Viel gekürzt habe er, noch viel mehr Texte hätte er. Für ihn ist die Gleichung einfach: «Es gibt viele inspirierende Stellen im Buch. Je mehr Seiten, desto mehr inspirierende Stellen.» Er habe Lust auf eine «massive Sammlung bekommen», schreibt der 43-Jährige auf Anfrage:
«So absurd manchmal der Inhalt ist, so absurd sollte auch die Erscheinung sein. Also sehr dick.»
Aber weg von der Form, hin zum Inhalt, denn dieser ist tatsächlich inspirierend. Das Blättern durch die Seiten fühlt sich an wie das ziellose Scrollen im Internet und weckt viele Assoziationen. Wie die nie endenden Timelines der sozialen Medien bietet auch Bischofs Textband immer wieder Überraschungen und neue Inputs.
Ribelmais- und Cocktail-Rezepte wechseln sich ab mit Ranglisten wie «Top 15 Singvögel» oder «The 500 Greatest Albums of All Time» (die Bischof natürlich alle auflistet). Grosse philosophische Fragen tauchen auf: «Wann ist eine Gesellschaft gerecht?». Aber auch Fragen zur Popkultur: «Warum ist Spongebob so unlogisch?» oder «Warum greifen sich Zombies nie gegenseitig an?». Man stösst auf Seiten voller Chuck-Norris-Witze, Tipps zur Selbstoptimierung, Hochzeitssprüche, Forumsbeiträge, Bedienungsanleitungen. Die Textcollage zwingt den Leser dazu, wieder über das nachzudenken, was er online meist gedankenlos überfliegt.
Gefunden hat Bischof die Texte in der physischen Welt, auf Plakaten, Flyern, Einkaufszetteln, aber auch im Internet, vor allem in den Kommentarspalten von Youtube. Er mache Fotos oder Screenshots und übernehme die Texte «zu 99,9 Prozent» unverändert, inklusive Grammatik- und Rechtschreibfehlern.
Eine Ordnung gebe es nicht, «aber eine gute Reihenfolge». Wichtig ist dem Copy-Paste-Autor nicht die inhaltliche Logik, sondern der sprachliche Rhythmus.
«WER ZU MCDONALDS GEHT / UND EIN SALAT BESTELLT, / HAT DIE KONTROLLE / ÜBER SEIN LEBEN VERLOREN.» Seine Textbücher seien auch ein Sprachschatz und eine Momentaufnahme, sagt Bischof. «In 50 Jahren wird’s sicher interessant werden, darin zu lesen.» Er nutze die Texte als persönliches Archiv, aus dem er sich bediene, wenn er einen passenden Text für eine Zeichnung oder einen Titel für eine Ausstellung suche.
Und Beni Bischof sammelt weiter. Ursprünglich hatte er zehn Textbücher geplant. Ob es tatsächlich so viele werden, lässt er offen. «Doch ich habe schon eine Idee für ‹Texte 5›.»
Beni Bischof: Texte 4, Edition Patrick Frey 2020, 1024 S., Fr. 18.-